Heinz-Ulrich Nennen | www.nennen-online.de

ZeitGeister | Philosophische Praxis

Akademie für Philosophische Psychologie

Category: Lehre

EPG II

Oberseminar: Ethisch–Philosophisches Grundlagenstudium II

WS 2020 | freitags | 14:00–15:30 Uhr | Raum: online 

Beginn: 6. Nov. 2020 | Ende: 19. Febr. 2021

Zum Kommentar als PDF

Universe333: Yoga­Bey­ond Hon­za & Clau­di­ne Bon­di; Beach, Austra­lia 2013. — Quel­le: Public Domain via Wiki­me­dia Commons.

Zwischen den Stühlen

Eine Rol­le zu über­neh­men bedeu­tet, sie nicht nur zu spie­len, son­dern zu sein. Wer den Leh­rer­be­ruf ergreift, steht gewis­ser­ma­ßen zwi­schen vie­len Stüh­len, einer­seits wer­den höch­ste Erwar­tun­gen gehegt, ande­rer­seits gefällt sich die Gesell­schaft in abfäl­li­gen Reden. — Das mag damit zusam­men­hän­gen, daß jede® von uns eine mehr oder min­der glück­li­che, gelun­ge­ne, viel­leicht aber eben auch trau­ma­ti­sie­ren­de Schul­erfah­rung hin­ter sich gebracht hat.

Es sind vie­le poten­ti­el­le Kon­flikt­fel­der, die auf­kom­men kön­nen im beruf­li­chen All­tag von Leh­rern. Daß es dabei Ermes­senspiel­räu­me, Hand­lungs­al­ter­na­ti­ven und vor allem auch Raum gibt, sich selbst und die eige­nen Idea­le mit ins Spiel zu brin­gen, soll in die­sem Semi­nar nicht nur the­ma­ti­siert, son­dern erfahr­bar gemacht werden.

Das Selbst­ver­ständ­nis und die Pro­fes­sio­na­li­tät sind gera­de bei Leh­rern ganz ent­schei­dend dafür, ob die vie­len unter­schied­li­chen und mit­un­ter para­do­xen Anfor­de­run­gen erfolg­reich gemei­stert wer­den: Es gilt, bei Schü­lern Inter­es­se zu wecken, aber deren Lei­stun­gen auch zu bewer­ten. Dabei spie­len immer wie­der psy­cho­lo­gi­sche, sozia­le und päd­ago­gi­sche Aspek­te mit hin­ein, etwa wenn man nur an Sexua­li­tät und Puber­tät denkt. — Mit­un­ter ist es bes­ser, wenn mög­lich, lie­ber Projekt–Unterricht anzu­re­gen, wenn kaum mehr was geht.

Es gibt klas­si­sche Kon­flikt­li­ni­en, etwa Eltern–Lehrer–Gespräche, in denen nicht sel­ten die eige­nen, oft nicht eben guten Schul–Erfahrungen der Eltern mit hin­ein­spie­len. Aber auch inter­kul­tu­rel­le Kon­flik­te kön­nen auf­kom­men. Das alles macht neben­her auch Kom­pe­ten­zen in der Media­ti­on erfor­der­lich. — Einer­seits wird indi­vi­du­el­le För­de­rung, Enga­ge­ment, ja sogar Empa­thie erwar­tet, ande­rer­seits muß und soll gerecht bewer­tet wer­den. Das alles spielt sich ab vor dem Hin­ter­grund, daß dabei Lebens­chan­cen zuge­teilt werden.
Gera­de in letz­ter Zeit sind gestie­ge­ne Anfor­de­run­gen bei Inklu­si­on und Inte­gra­ti­on hin­zu­ge­kom­men. Auch Straf– und Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men zäh­len zu den nicht eben ein­fa­chen Auf­ga­ben, die aller­dings wahr­ge­nom­men wer­den müs­sen. — Ein wei­te­rer, immer wie­der aku­ter und for­dern­der Bereich ist das Mob­bing, das sich gut ›durch­spie­len‹ läßt anhand von Inszenierungen.

Es gibt nicht das ein­zig rich­ti­ge pro­fes­sio­nel­le Ver­hal­ten, son­dern vie­le ver­schie­de­ne Beweg­grün­de, die sich erör­tern las­sen, was denn nun in einem kon­kre­ten Fall mög­lich, ange­mes­sen oder aber kon­tra­pro­duk­tiv sein könn­te. Päd­ago­gik kann viel aber nicht alles. Bei man­chen Pro­ble­men sind ande­re Dis­zi­pli­nen sehr viel erfah­re­ner und auch zustän­dig. — Unan­ge­brach­tes Enga­ge­ment kann selbst zum Pro­blem werden. 

Wich­tig ist ein pro­fes­sio­nel­les Selbst­ver­ständ­nis, wich­tig ist es, die eige­nen Gren­zen zu ken­nen, und mit­un­ter auch ein­fach mehr Lang­mut an den Tag zu legen. Zudem wer­den die Klas­sen immer hete­ro­ge­ner, so daß der klas­si­sche Unter­richt immer sel­te­ner wird. — Inklu­si­on, Inte­gra­ti­on oder eben Mul­ti­kul­tu­ra­li­tät gehö­ren inzwi­schen zum All­tag, machen aber Schu­le, Unter­richt und Leh­rer­sein nicht eben einfacher.

Gesell­schaft, Poli­tik, Wirt­schaft und Öffent­lich­keit set­zen zwar hohe Erwar­tun­gen in Schu­le und Leh­rer, gefal­len sich aber zugleich dar­in, den gan­zen Berufs­tand immer wie­der in ein unvor­teil­haf­tes Licht zu rücken. — Unver­ges­sen bleibt die Bemer­kung des ehe­ma­li­gen Kanz­lers Gehard Schrö­der, der ganz gene­rell die Leh­rer als fau­le Säcke bezeich­net hat.

„Ihr wißt doch ganz genau, was das für fau­le Säcke sind.“

Die­ses Bas­hing hat aller­dings Hin­ter­grün­de, die eben dar­in lie­gen dürf­ten, daß viel zu vie­le Schüler*innen ganz offen­bar kei­ne guten Schul­erfah­run­gen gemacht haben, wenn sie spä­ter als Eltern ihrer Kin­der wie­der die Schu­le aufsuchen.

Ausbildung oder Bildung?

Seit 2001 ist das Ethisch–Philosophische Grund­la­gen­stu­di­um (EPG) obli­ga­to­ri­scher Bestand­teil des Lehr­amts­stu­di­ums in Baden–Württemberg. Es besteht aus zwei Modu­len, EPG I und EPG II. — Ziel des EPG ist es, zukünf­ti­ge Leh­re­rIn­nen für wis­sen­schafts– und berufs­ethi­sche Fra­gen zu sen­si­bi­li­sie­ren und sie dazu zu befä­hi­gen, sol­che Fra­gen selb­stän­dig behan­deln zu kön­nen. The­ma­ti­siert wer­den die­se Fra­gen im Modul EPG II.

Um in allen die­sen Kon­flikt­fel­dern nicht nur zu bestehen, son­dern tat­säch­lich ange­mes­sen, pro­blem­be­wußt und mehr oder min­der geschickt zu agie­ren, braucht es zunächst ein­mal die Gewiß­heit, daß immer auch Ermes­sens– und Gestal­tungs­spiel­räu­me zur Ver­fü­gung ste­hen. Im Hin­ter­grund ste­hen Idea­le wie Bil­dung, Ent­fal­tung der Per­sön­lich­keit, die Erfah­rung erfül­len­der Arbeit und Erzie­hungs­zie­le, die einer huma­ni­sti­schen Päd­ago­gik ent­spre­chen, bei der es eigent­lich dar­auf ankä­me, die Schü­ler bes­ser gegen eine Gesell­schaft in Schutz zu neh­men, die immer for­dern­der auf­tritt. In die­sem Sin­ne steht auch nicht ein­fach nur Aus­bil­dung, son­dern eben Bil­dung auf dem Programm.

Auf ein– und das­sel­be Pro­blem läßt sich unter­schied­lich reagie­ren, je nach per­sön­li­cher Ein­schät­zung las­sen sich ver­schie­de­ne Lösungs­an­sät­ze ver­tre­ten. Es ist daher hilf­reich, mög­lichst vie­le ver­schie­de­ne Stel­lung­nah­men, Maß­nah­men und Ver­hal­tens­wei­sen syste­ma­tisch durch­zu­spie­len und zu erör­tern. Dann läßt sich bes­ser ein­schät­zen, wel­che davon den päd­ago­gi­schen Idea­len noch am ehe­sten gerecht werden.

So ent­steht all­mäh­lich das Bewußt­sein, nicht ein­fach nur agie­ren und reagie­ren zu müs­sen, son­dern bewußt gestal­ten zu kön­nen. Nichts ist hilf­rei­cher als die nöti­ge Zuver­sicht, in die­sen doch sehr anspruchs­vol­len Beruf nicht nur mit Selbst­ver­trau­en ein­zu­tre­ten, son­dern auch zuver­sicht­lich blei­ben zu kön­nen. Dabei ist es ganz beson­ders wich­tig, die Gren­zen der eige­nen Rol­le nicht nur zu sehen, son­dern auch zu wahren.

Stichworte für Themen

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Studienleistung

Eine regel­mä­ßi­ge und akti­ve Teil­nah­me am Dis­kurs ist wesent­lich für das Semi­nar­ge­sche­hen und daher obli­ga­to­risch. — Stu­di­en­lei­stung: Grup­pen­ar­beit, Prä­sen­ta­ti­on und Hausarbeit.


“Methode haben heißt mit dem Weg der Sache gehen”

Ernst Bloch als Phänomenologe

Im Win­ter­se­me­ster 1961/62 begann Ernst Bloch, nach Zwangs­eme­ri­tie­rung und Mau­er­bau, nun­mehr in Tübin­gen sei­ne über meh­re­re Seme­ster fort­ge­setz­te Tübin­ger Ein­lei­tung in die Phi­lo­so­phie, die spä­ter als Band 13 auf­ge­nom­men wur­de in die Gesamt­aus­ga­be sei­ner Wer­ke von letz­ter Hand. Die bereits ein Jahr zuvor in der Antritts­vor­le­sung ange­kün­dig­te, auf mehr als 22 Ver­an­stal­tun­gen kon­zi­pier­te Rei­he setzt ein, wie Bloch stets sei­ne Phi­lo­so­phie ent­wickelt, bei­läu­fig, aus­ge­hend vom ganz All­täg­li­chen, vom Nicht­phi­lo­so­phi­schen, vom Noch–Nicht–Philosophieren.

Bloch zufol­ge gehört bereits die Hin­füh­rung mit zur Sache selbst. Burg­hart Schmidt, ehe­dem lang­jäh­ri­ger Mit­ar­bei­ter in Tübin­gen berichtet,

“Ernst Bloch bevor­zug­te, ja, betrieb die Text­an­fän­ge mit kur­zen Sät­zen, je kür­zer, um so bes­ser. Das zeig­te gera­de­zu Züge einer Manie bei ihm, hat­te aber über­leg­sa­me und über­leg­ba­re Dar­stel­lungs­mo­ti­ve in sich. (…) Blochs kur­ze Anfangssätze…versuchen sich…in der Gegen­wart fest­zu­ma­chen, sie bemü­hen sich ange­strengt dar­um, kei­nen Anfang und kein Ende zu haben.”

Ernst Bloch, Semi­nar Uni Tübin­gen, Feb. 1971. Quel­le: Wikimedia.

Wenn Bloch der Publi­ka­ti­on der Tübin­ger Ein­lei­tung eine kur­ze Vor­be­mer­kung vor­an­stellt, so liest man als ersten Satz: Mit­ten hin­ein ver­setzt zu wer­den, ist am besten. Hier wird Bloch eher an sich selbst gedacht haben, als an den Leser, den er beim Anfan­gen, Her­an­füh­ren und Wei­ter­füh­ren immer auch atmo­sphä­risch, ja insze­na­to­risch unter­stützt. Nicht der Leser wäre dem­nach mit­ten hin­ein ver­setzt wor­den, son­dern Bloch selbst, der sich zur Zeit des Mau­er­baus gera­de auf Lese­rei­se in Tübin­gen auf­hielt, der zu die­sem Zeit­punkt bereits zwangs­eme­ri­tiert wor­den war, inklu­si­ve Haus­ver­bot an der Leip­zi­ger Universität.

In einem Brief an den Prä­si­den­ten der Deut­schen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten schil­dert Bloch noch ein­mal die nähe­ren Umstän­de und teilt nicht ohne Bit­ter­keit mit: Mit mei­nen 76 Jah­ren habe ich mich ent­schie­den, nicht nach Leip­zig zurück­zu­keh­ren. Blochs Ruhm in der Bun­des­re­pu­blik ver­brei­te­te sich schnell, berich­tet Peter Zudeick in sei­ner Bio­gra­phie und zitiert Bloch mit den Wor­ten: Eine treff­li­che Uni­ver­si­tät, net­te Kol­le­gen und 1200 Hörer, mehr kann man nicht verlangen.

Ernst Bloch von Hans Neu­bert (1977, Blei­stift­zeich­nung, 42 x 56 cm). Quel­le: Wikimedia.

Auf die soeben erwähn­te vor­an­ge­stell­te kur­ze Vor­be­mer­kung zur Tübin­ger Ein­lei­tung fol­gen die ersten bei­den Zwi­schen­ti­tel: ›Zugang‹ und ›Erschwe­run­gen‹. An drit­ter Stel­le fin­det sich ein erster Haupt­teil unter dem Titel ›Metho­di­sches Fahrt­mo­tiv‹, gefolgt von einem wei­te­ren Abschnitt unter dem Titel ›Wei­sun­gen uto­pi­schen Inhalts‹. — Wie stets beginnt Bloch die Vor­aus­set­zun­gen für die Bedin­gun­gen sei­ner Phi­lo­so­phie ganz all­mäh­lich zu entwickeln.Unverzichtbar sind hier­zu die für ihn zen­tra­len Meta­phern von Rei­se und Fahrt, um den Moti­ven sei­ner Phi­lo­so­phie vor allem auch atmo­sphä­risch Aus­druck zu ver­lei­hen. Vor­erst aber ist von Fahrt hier nur die Rede, im eigent­li­chen Sin­ne in Bewe­gung sind die Dar­le­gun­gen selbst noch nicht.

So him­mels­stür­me­risch die mar­kan­te­sten Zita­tio­nen bloch­scher Pro­ve­ni­enz erschei­nen mögen, in der Ent­wick­lung sei­ner Phi­lo­so­phie bevor­zugt Bloch ganz bewußt eher die gezü­gel­te Bewe­gung, die fast schon gemäch­li­che aber eben zuver­läs­si­ge Stei­ge­rung der Geschwin­dig­keit. Dem­entspre­chend sind die Meta­phern stets genaue­stens kal­ku­liert und in jeder Hin­sicht abge­stimmt; es wird genau jene Stim­mung erzeugt, die der Sache und der Situa­ti­on, in der man sich vir­tu­ell und ima­gi­när soeben befin­det, ange­mes­sen sein sol­len. Bloch ver­steht sich dar­auf, eine ein­mal für erfor­der­lich gehal­te­ne Stim­mung bei der Zuhö­rer­schaft oder auch beim Leser ganz bewußt syste­ma­tisch zu erzeu­gen, um dann erst zur eigent­li­chen Sache zu kommen.


EPG II

Oberseminar: Ethisch–Philosophisches Grundlagenstudium II

WS 2019 | freitags | 14:00–15:30 Uhr | Raum: 30.91–009

Beginn: 17. Okt. 2019 | Ende: 6. Febr. 2020

Universe333: Yoga­Bey­ond Hon­za & Clau­di­ne Bon­di; Beach, Austra­lia 2013. — Quel­le: Public Domain via Wiki­me­dia Commons.

Seit 2001 ist das Ethisch–Philosophische Grund­la­gen­stu­di­um (EPG) obligatorischer Bestand­teil des Lehramtsstudiums in Baden–Württemberg. Es besteht aus zwei Modu­len, EPG I und EPG II. — Ziel des EPG ist es, zukünf­ti­ge Leh­re­rIn­nen für wissenschafts– und berufs­ethi­sche Fra­gen zu sen­si­bi­li­sie­ren und sie dazu zu befähigen, sol­che Fra­gen selb­stän­dig behandeln zu kön­nen. The­ma­ti­siert werden die­se Fra­gen im Modul EPG II.

Um in allen die­sen Kon­flikt­fel­dern nicht nur zu bestehen, son­dern tat säch­lich ange­mes­sen, pro­blem­be­wußt und mehr oder min­der geschickt zu agie­ren, braucht es zunächst ein­mal die Gewiß­heit, daß immer auch Ermessens– und Gestal­tungs­spiel­räu­me zur Ver­fü­gung ste­hen. Im Hin­ter­grund ste­hen Idea­le wie Bildung, Ent­fal­tung der Per­sön­lich­keit, die Erfah­rung erfül­len­der Arbeit und Erzie­hungs­zie­le, die einer huma­ni­sti­schen Päd­ago­gik ent­spre­chen, bei der es eigent­lich dar­auf ankä­me, die Schü­ler bes­ser gegen eine Gesell­schaft in Schutz zu neh­men, die immer for­dern­der auf­tritt. In die­sem Sin­ne steht auch nicht ein­fach nur Aus­bil­dung, son­dern eben Bil­dung auf dem Programm.

Auf ein– und das­sel­be Pro­blem läßt sich unter­schied­lich reagie­ren, je nach per­sön­li­cher Ein­schät­zung las­sen sich ver­schie­de­ne Lösungs­an­sät­ze ver­tre­ten. Es ist daher hilf­reich, mög­lichst vie­le ver­schie­de­ne Stel­lung­nah­men, Maßnahmen und Ver­hal­tens­wei­sen syste­ma­tisch durch­zu­spie­len und zu erör­tern. Dann läßt sich bes­ser ein­schät­zen, wel­che davon den päd­ago­gi­schen Idea­len noch am ehe­sten gerecht werden.

So ent­steht all­mäh­lich das Bewußt­sein, nicht ein­fach nur agie­ren und reagie­ren zu müs­sen, son­dern bewußt gestal­ten zu kön­nen. Nichts ist hilf­rei­cher als die nöti­ge Zuver­sicht, in die­sen doch sehr anspruchs­vol­len Beruf nicht nur mit Selbst­ver­trau­en ein­zu­tre­ten, son­dern auch zuver­sicht­lich blei­ben zu kön­nen. Dabei ist es ganz beson­ders wich­tig, die Gren­zen der eige­nen Rol­le nicht nur zu sehen, son­dern auch zu wahren.

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EPG II

Oberseminar: Ethisch–Philosophisches Grundlagenstudium II

SS 2019 | freitags | 14:00–15:30 Uhr | Raum: 30.91–009

Beginn: 27. April 2019 | Ende: 27. Juli 2019

Universe333: Yoga­Bey­ond Hon­za & Clau­di­ne Bon­di; Beach, Austra­lia 2013. — Quel­le: Public Domain via Wiki­me­dia Commons.

Seit 2001 ist das Ethisch–Philosophische Grund­la­gen­stu­di­um (EPG) obligatorischer Bestand­teil des Lehramtsstudiums in Baden–Württemberg. Es besteht aus zwei Modu­len, EPG I und EPG II. — Ziel des EPG ist es, zukünf­ti­ge Leh­re­rIn­nen für wissenschafts– und berufs­ethi­sche Fra­gen zu sen­si­bi­li­sie­ren und sie dazu zu befähigen, sol­che Fra­gen selb­stän­dig behandeln zu kön­nen. The­ma­ti­siert werden die­se Fra­gen im Modul EPG II.

Um in allen die­sen Kon­flikt­fel­dern nicht nur zu bestehen, son­dern tat säch­lich ange­mes­sen, pro­blem­be­wußt und mehr oder min­der geschickt zu agie­ren, braucht es zunächst ein­mal die Gewiß­heit, daß immer auch Ermessens– und Gestal­tungs­spiel­räu­me zur Ver­fü­gung ste­hen. Im Hin­ter­grund ste­hen Idea­le wie Bildung, Ent­fal­tung der Per­sön­lich­keit, die Erfah­rung erfül­len­der Arbeit und Erzie­hungs­zie­le, die einer huma­ni­sti­schen Päd­ago­gik ent­spre­chen, bei der es eigent­lich dar­auf ankä­me, die Schü­ler bes­ser gegen eine Gesell­schaft in Schutz zu neh­men, die immer for­dern­der auf­tritt. In die­sem Sin­ne steht auch nicht ein­fach nur Aus­bil­dung, son­dern eben Bil­dung auf dem Programm.

Auf ein– und das­sel­be Pro­blem läßt sich unter­schied­lich reagie­ren, je nach per­sön­li­cher Ein­schät­zung las­sen sich ver­schie­de­ne Lösungs­an­sät­ze ver­tre­ten. Es ist daher hilf­reich, mög­lichst vie­le ver­schie­de­ne Stel­lung­nah­men, Maßnahmen und Ver­hal­tens­wei­sen syste­ma­tisch durch­zu­spie­len und zu erör­tern. Dann läßt sich bes­ser ein­schät­zen, wel­che davon den päd­ago­gi­schen Idea­len noch am ehe­sten gerecht werden.

So ent­steht all­mäh­lich das Bewußt­sein, nicht ein­fach nur agie­ren und reagie­ren zu müs­sen, son­dern bewußt gestal­ten zu kön­nen. Nichts ist hilf­rei­cher als die nöti­ge Zuver­sicht, in die­sen doch sehr anspruchs­vol­len Beruf nicht nur mit Selbst­ver­trau­en ein­zu­tre­ten, son­dern auch zuver­sicht­lich blei­ben zu kön­nen. Dabei ist es ganz beson­ders wich­tig, die Gren­zen der eige­nen Rol­le nicht nur zu sehen, son­dern auch zu wahren.

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Vorlesungen und Seminare


Der Bildungsnomade

Hochschullehrer Dr. Heinz-Ulrich Nennen arbeitet in einem amerikanischen Reisemobil am Kanal

Der Bildungsnomade

Von Julia Gottschick 

Westfälische Nachrichten, 26.06.2015

Mün­ster – Unter einem grü­nen Schirm, zwi­schen Bir­ken­stäm­men, sitzt der Phi­lo­soph am Dort­mund-Ems-Kanal und tippt in sein Note­book. (…) War­um er in Mün­ster am Kanal arbei­tet, in einem Heim auf Rol­len? „Na“, ant­wor­tet der Mann, der in Rhei­ne gebo­ren ist, und schiebt sich eine silb­ri­ge Locke hin­ters Ohr, „weil Mün­ster mei­ne Hei­mat ist und ich ein gei­sti­ger Noma­de. Ich brau­che stän­dig Per­spek­tiv­wech­sel.“ Sess­haf­tig­keit ist nichts für einen wie ihn, der am Kanal „gedul­det ist“ („man kennt mich hier“) und in Karls­ru­he im Hotel über­nach­tet. Mit dem Win­ne­bago dort­hin zu fah­ren, das hat er schnell dran­ge­ge­ben. „35 Liter Super schluckt der, und es kostet Ner­ven, ihn zu fah­ren“, ver­rät Nen­nen und schickt ein belu­stig­tes Blit­zen aus Bern­stein-Augen hin­ter­her. Fährt er mit dem Wagen durch die Stra­ßen, blei­ben die Leu­te am Rand ste­hen und lachen. „Das ist ein­fach ein Unge­tüm.“ Teil sei­ner phi­lo­so­phi­schen Exi­stenz, sei der Win­ne­bago eine Art Selbst­ver­such. Anders als Dio­ge­nes in der Ton­ne ist der 60-Jäh­ri­ge jedoch mit der Zeit gegan­gen – immer­hin hat der Wagen Dusche und Klimaanlage.

Und so sitzt Heinz-Ulrich Nen­nen heu­te im Wind­schat­ten des Unge­tüms, Bir­ken­pol­len im Haar und klei­ne Gewit­ter­flie­gen auf den Schul­tern, und berei­tet sei­ne Vor­le­sun­gen vor. An der „Gren­ze zwi­schen Psy­cho­lo­gie, Anthro­po­lo­gie, Kul­tur­wis­sen­schaft und Phi­lo­so­phie“ geht er der „Erschöp­fung des Selbst“ auf die Spur und arbei­tet her­aus: Was ist das genau, ein Burn­out? Und wie ent­ste­hen Depres­sio­nen? Dafür doku­men­tiert er, was in den Köp­fen der Men­schen heu­te so vor­geht. Beleuch­tet den krank­ma­chen­den Drang, sich für alles ver­ant­wort­lich zu fühlen. (…)

In den Seme­ster­fe­ri­en soll Nen­nens neu­es Buch erschei­nen. „Die Mas­ken der Göt­ter“, sagt er, sei ein Stück Psy­cho­lo­gie auf der Grund­la­ge von Göt­ter­ge­schich­ten. Exper­ten in Lie­bes- und Kriegs­an­ge­le­gen­hei­ten, sei­en alle Gott­hei­ten schon immer unse­re Pro­jek­tio­nen gewe­sen. „Und weil sie das sind, sind sie nicht nichts.“

Ein hel­ler Kopf, der Mann am Kanal, der dort eine eige­ne „Phi­lo­so­phi­sche Ambu­lanz“ betreibt. Der Begriff sei ein Gag, räumt er ein, sein Anlie­gen jedoch ernst gemeint. Wer zu ihm kommt, dem hilft er, „durch Erwä­gen neue Ein­sich­ten zu gewin­nen“. Phi­lo­so­phie als See­len­heil­kun­de also, Bera­tung zur Selbst­be­ra­tung – „für alle Zwei­fels­fäl­le des Lebens, des Den­kens und nicht zuletzt des Fühlens“.

Arti­kel