Heinz-Ulrich Nennen | www.nennen-online.de

ZeitGeister | Philosophische Praxis

Akademie für Philosophische Psychologie

Category: Utopie

Wir haben nicht nur Corona, – wir haben auch Demokratie

Was Menschen einander antun können

Es ist erstaun­lich, wie wenig ver­trau­ens­er­weckend die men­ta­len Wider­stands­kräf­te sind, wenn es um „Gesund­heit“ geht. In der Tat ist es wün­schens­wert, an Leib und See­le gesund zu sein, und ein wenig Glück dürf­te auch noch mit dabei sein. Nicht zu ver­ges­sen die Lieb­sten und Freun­de mit Nähe und Mit­ge­fühl, denn es lebt und fei­ert sich in Gemein­schaft ein­fach besser.

Aber was ist inzwi­schen aus der Nähe gewor­den? Die gan­ze Gesell­schaft fügt sich einem Medizin–Diskurs, wie ihn Michel Fou­cault nicht schlim­mer hät­te aus­ma­len können. 

Dabei hat der Glau­be an ‚die‘ Medi­zin selbst etwas Aber­gläu­bi­ges in der Erwar­tung, sie wäre „Wis­sen­schaft“ und sonst gar nichts. Alles ande­re sei dage­gen nichts wei­ter als Ket­ze­rei, eine Abwei­chung vom ein­zig wah­ren Glau­ben und zuletzt ein­fach nur Quer­den­ker­tum und Hokuspokus.

Teaser. Das Erste: Hart aber fair. Nur ja kei­nen Zwang: Ist unse­re Poli­tik beim Imp­fen zu fei­ge? 15.11.2021.

Die Welt ist aber viel kom­ple­xer, als es sich Poli­tik und Medi­zin träu­men las­sen, die sich in die­ser Kri­se zusam­men­ge­tan haben, um sich gegen­sei­tig zu stützen. 

Her­aus­ge­kom­men sind Ver­hält­nis­se, als leb­ten wir noch im 19. Jahr­hun­dert. Da gibt es eine bemer­kens­wer­te Unter­schei­dung zwi­schen Arzt und Medi­zi­ner. Letz­te­re waren damals noch Staats­be­am­te und sie stan­den zumeist im Mili­tär­dienst und so ist dann auch heu­te noch immer ihre Denkungsart. 

Mein Dok­tor­va­ter, Prof. Wil­helm Goerdt war Mit­glied der ersten Ethik–Kommission in Deutsch­land. Er hat mir berich­tet, daß es in den ersten Sit­zun­gen über den soge­nann­ten „Mün­di­gen Pati­en­ten“ ging. 

Er war ein her­vor­ra­gen­der Mode­ra­tor in Semi­nar­dis­kus­sio­nen. Man kam stets ins Schwit­zen auf der Suche nach bes­se­ren Argu­men­ten. — Er war völ­lig ent­setzt und befrem­det dar­über, daß die Medi­zi­ner gar nicht ver­stan­den oder nicht ver­ste­hen woll­ten, was wohl damit gemeint sein könn­te, wenn von „Mün­di­gen Pati­en­ten“ die Rede war. 

Nun hat sich die Poli­tik im Zuge der Corona–Krise in einen Akti­vis­mus ver­rannt. Sie hat Äng­ste geschürt und Panik ver­brei­tet. Man glaub­te, die Kri­se auf die­se Wei­se „in den Griff zu bekom­men“. Dabei ist in Wirt­schaft, in der Bil­dung und in der Zivil­ge­sell­schaft ganz erheb­li­cher Scha­den ange­rich­tet worden.

Nicht nur der Ver­lust jahr­zehn­te­lang „erspar­ter“ Steu­er­mil­li­ar­den, son­dern auch see­li­sche Schä­den bei Kin­dern, psy­chi­sche Bela­stun­gen bei jun­gen Leu­ten und vie­le, sehr vie­le ver­lo­re­ne Träu­me, um von den Trau­ma­ti­sie­run­gen gar nicht erst zu spre­chen. Der fran­zö­si­sche Prä­si­dent hat den Kriegs­zu­stand aus­ge­ru­fen und dann ist es welt­weit zu unüber­schau­ba­ren Kol­la­te­ral­schä­den gekommen.

Hin­ter alle­dem steckt ein obso­le­tes Men­schen­bild, das aus dem 19 Jahr­hun­dert stammt. In die­ser Kri­se fei­ert der Mis­an­thro­pis­mus fröh­li­che Urständ, weil sich Poli­tik und Medi­zin zusam­men­ge­tan haben. In Päd­ago­gik und Psy­cho­lo­gie wird dage­gen seit etwa 1900 von einem völ­lig ande­ren Men­schen­bild aus­ge­gan­gen, daß der Mün­dig­keit, der Selbst­fin­dung, der Selbst­ver­ant­wor­tung, der Ent­wick­lung und der Emanzipation.

Und jetzt, wo all­mäh­lich kaum noch abzu­strei­ten ist, daß alle Maß­nah­men die ver­spro­che­ne Wie­der­kehr zur Nor­ma­li­tät ein­fach nicht bewir­ken, daß Geimpf­te nicht etwa immun, son­dern wei­ter­hin ansteckend und auch gefähr­det sind, daß vie­le der erbrach­ten Opfer eben nicht erbracht haben, was in Aus­sicht gestellt wor­den ist, jetzt wird nach den Schul­di­gen gesucht wie in einer Ket­zer­ver­fol­gung. — Aber die Ver­ant­wor­tung liegt in die­ser fata­len Koope­ra­ti­on zwi­schen Poli­tik und Medi­zin auf der Grund­la­ge eine inhu­ma­nen Menschenbildes.

Eric Clap­tons Hand­ab­drücke und sei­ne Unter­schrift auf dem Rock Walk; 9. Juli 2005, Hol­ly­wood. Foto: Nick Wil­le, via Wikimedia.

Wir haben nicht nur Coro­na, wir auch Demo­kra­tie. Die über­bor­den­den Mach­phan­ta­sien, in denen Medi­zin und Poli­tik sich erge­hen, sobald sie sich zusam­men­tun, sind päd­ago­gisch kontraindiziert.

Sie ver­un­si­chern, erzeu­gen Panik und machen krank. Die Gesell­schaft wird pola­ri­siert, nur weil der Mut fehlt, zuge­ben zu kön­nen, daß der gute Wil­le mit­un­ter die schlech­te­sten Ergeb­nis­se erzielt. 

Der Akti­vis­mus, der Steue­rungs­wahn, die Über­heb­lich­keit, mit ganz weni­gen, völ­lig fixier­ten Model­len aus­zu­kom­men, um dann zu glau­ben, eine sol­che Kri­se lie­ße sich bewäl­ti­gen mit nur ganz weni­gen Hin­sich­ten und Rück­sich­ten, ist fahrlässig.

Alle Syste­me haben inzwi­schen Scha­den genom­men. Allem vor­an das Ver­trau­en in Poli­tik, Staat, Medi­zin, Recht, Wirt­schaft, Wis­sen­schaft und auch in die offe­ne Gesell­schaft, die sich selbst zum Feind wird.

Ganz ent­setz­lich ist es, daß immer wie­der neue Sün­den­böcke aus­ge­ru­fen wer­den. Erst waren es die Kin­der, dann die Jugend­li­chen und jetzt sind es die Unge­impf­ten. Quer­den­ker war mal eine ehren­vol­le Bezeich­nung für sol­che, die den Mut auf­brach­ten, sich des eige­nen Ver­stan­des ohne frem­de Anlei­tung zu bedie­nen. Jetzt wird auch noch das krea­ti­ve, unkon­ven­tio­nel­le, ergeb­nis­of­fe­ne Den­ken verunglimpft.

Die Poli­tik hat sich ein­neh­men las­sen von nur ganz weni­gen Dis­zi­pli­nen, die nicht ein­mal Wis­sen­schaft sind, son­dern nur Tech­nik. — Einer Tech­nik wer­den die Zie­le vor­ge­ge­ben. Daher hät­ten ganz ande­re Zie­le gesetzt wer­den müs­sen, um mög­lichst unbe­scha­det durch die Strom­schnel­len die­ser Kri­se zu steu­ern. Aber man hat eine Ideo­lo­gie dar­aus gemacht und erwar­tet Gehor­sam, wo Ver­trau­en gar nicht vor­han­den sein kann.

Staat und Medi­zin haben allein auf­grund ihrer Geschich­te ein wirk­lich gro­ßes Ver­trau­en ein­fach nicht ver­dient. — Die­ser Staat hat die­se Gesell­schaft mehr­fach in schlimm­ste Kata­stro­phen geführt und die Medi­zin stand ihm dabei immer zur Sei­te. Es ist an der Zeit, die viel­zi­tier­te Mün­dig­keit end­lich in Anspruch zu nehme. 

Tat­säch­lich haben immer nur die Pati­en­ten das letz­te Wort, denn sie tra­gen auch alle Kon­se­quen­zen. Weil dem so ist, tra­gen sie auch die Ver­ant­wor­tung dafür, wem sie sich anver­trau­en. — Mag ein Arzt noch so über­zeugt sein von “sei­ner” The­ra­pie, wir tra­gen die Ver­ant­wor­tung uns selbst gegen­über allein und Ärz­te haben nicht das Recht, uns dann zu maßregeln.

Weil aber die­se Dis­zi­pli­nen gar nicht in der Lage sind, die Vul­nerabi­li­tät der gan­zen Gesell­schaft in den Blick zu bekom­men, stür­zen sie sich auf das, was sie mes­sen kön­nen. Aber das ist nicht das gro­ße Gan­ze. Daher ist es inzwi­schen zu exor­bi­tant hohen, auch mensch­lich kost­spie­li­gen Opfern gekom­men, die aller­dings nicht wirk­lich gehol­fen haben.

Die offe­ne Gesell­schaft neigt inzwi­schen dazu, sich selbst zu ver­let­zen. Es wür­de hel­fen, end­lich vom hohen Roß der Erre­gungs­kul­tur her­un­ter­zu­stei­gen, in der sich nicht sel­ten jene wich­tig tun, die am wenig­sten zu sagen haben. Statt­des­sen fin­det ein Rück­fall in unrühm­li­che Zei­ten statt, die zwei­mal schon zum Wel­ten­brand geführt haben.

Wer nun behaup­tet, es wäre nun wirk­lich ange­sagt, mal wie­der auf den auto­ri­tä­ren Cha­rak­ter zu set­zen und auf eine Hinterwelt–Pädagogik, in der Men­schen wie­der ein­ge­schüch­tert, gebro­chen und umer­zo­gen wer­den, ist ein Feind der offe­nen Gesell­schaft. Allein schon der Flirt mit tota­li­tä­ren Syste­men wie Chi­na ist ein gei­sti­ges Armutszeugnis.

55:55 Frank Plas­beck: „Darf ich mal ganz kurz einen Gedan­ken rein­brin­gen. Wir reden ja viel­leicht sogar über kind­li­che Fra­gen, wie­viel Druck braucht ein Kind, um eine Ver­hal­tens­än­de­rung zu haben. Und wenn Sie sich anschau­en, wie sich Druck aus­übt, auch jetzt stei­gen die Impf­zah­len ja wie­der…, plötz­lich, wenn man das sieht, was zuvor immer wie­der bespro­chen wor­den ist mit den Ärz­ten, in den Medi­en, dann hilft plötz­lich Druck,…

59:50 Sven­ja Flaß­pöh­ler: Mir fällt nur auf, Sie haben ein völ­lig anders Demo­kra­tie­ver­ständ­nis als ich. Sie reden von Kin­dern, auf die man Druck aus­üben muß. Sie sagen, man kann von Kin­dern ler­nen, daß, wenn man Druck auf sie aus­übt, dann ver­än­dern sie ihr Ver­hal­ten… Wenn man wirk­lich über Bür­ge­rin­nen und Bür­ger redet und sie als Kin­der bezeich­net, auf die man Druck aus­üben muß, (lacht). Also mein Demo­kra­tie­ver­ständ­nis ist sozu­sa­gen hun­dert­pro­zen­tig ein ande­res.“ Das Erste: Hart aber fair. Nur ja kei­nen Zwang: Ist unse­re Poli­tik beim Imp­fen zu fei­ge? 15.11.2021.

Die Moti­ve derer, die an die rei­ne Leh­re des Auto­ri­tä­ren glau­ben, las­sen an mit­tel­al­ter­li­che Ver­hält­nis­se den­ken — mit Pran­ger, öffent­li­cher Demü­ti­gung und Exkom­mu­ni­ka­ti­on. Aber unter denen, die sich dage­gen zu Wort mel­den, zäh­len auch bedeu­ten­de Künst­ler aus der Rock–Generation. 

Eric Clap­ton ist noch unter der Lüge auf­ge­wach­sen, sei­ne Mut­ter sei sei­ne Schwe­ster. Er ist der Erfin­der des Blues­rock, was dar­auf ver­weist, daß er sich mit der Musik der Schwar­zen zu einer Zeit befaßt hat, als noch die Apart­heit galt. Wenn er die­ser Tage deut­lich macht, er wol­le nicht, daß sein Publi­kum oder Tei­le sei­nes Publi­kums dis­kri­mi­niert wür­den, dann geschieht sei­ne poli­ti­sche Demon­stra­ti­on vor die­sem Hintergrund. 

Die Nach­kriegs­zeit brach­te einen epo­cha­len Umbruch mit sich, gegen auto­ri­tä­re, krie­ge­ri­sche, tota­li­tä­re und dis­kri­mi­nie­ren­de Ver­hält­nis­se, alles, was sei­ner­zeit noch “nor­mal” zu sein schien. Aber gera­de der Blues­rock hat die Gesell­schaft geöff­net, die Abnei­gung und den Haß über­wun­den und die Schmer­zen gelin­dert, die Skla­ve­rei, Aus­beu­tung und Dis­kri­mi­nie­rung mit sich gebracht haben. — Sol­che Wun­den zu hei­len, dazu bedarf es aller­dings noch sehr viel mehr. 

Der­zeit ten­diert der Zeit­geist dazu, repres­si­ve Ver­hält­nis­se zu prä­fe­rie­ren. Man glaubt, ein wenig mehr Dik­ta­tur könn­te sinn­voll sein. Dage­gen wer­den aber die alten Gei­ster wie­der auf­ste­hen, um zu sagen, was zu sagen ist:

Do you wan­na be a free man / Or do you wan­na be a slave? / Do you wan­na wear the­se chains / Until you’re lying in the grave?

Natür­lich wirkt der Ver­gleich der Corona–Maßnahmen mit der Skla­ve­rei ver­stö­rend. Aber es geht nicht um eine Gleichsetzung. 

So etwas läßt sich nie­mals ins Ver­hält­nis set­zen, denn dann müß­te gesagt wer­den, was denn nun mehr oder weni­ger “schlimm” war. Es kann daher nur dar­um gehen, aus der Geschich­te ernst­haft die Kon­se­quenz zu zie­hen, daß der­ar­ti­ge Ver­hält­nis­se nie wie­der zuge­las­sen werden. 

Es ist ent­setz­lich, was Men­schen ein­an­der antun kön­nen, wenn böse Gefüh­le auf­kom­men und ver­stärkt wer­den. Wer Dis­kri­mi­nie­rung erfah­ren hat, wird sie nie wie­der zulas­sen, nicht ein­mal ansatzweise. 


EPG II a (Online)

Ober­se­mi­nar

EPG II a

Ethisch–Philosophisches Grundlagenstudium II

WS 2021 | frei­tags | 14:00–15:30 Uhr | online 

Beginn: 22. Okto­ber 2021 | Ende: 10. Febru­ar 2022

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Universe333: Yoga­Bey­ond Hon­za & Clau­di­ne Bon­di; Beach, Austra­lia 2013. — Quel­le: Public Domain via Wiki­me­dia Commons.

Zwischen den Stühlen

Eine Rol­le zu über­neh­men bedeu­tet, sie nicht nur zu spie­len, son­dern zu sein. Wer den Leh­rer­be­ruf ergreift, steht gewis­ser­ma­ßen zwi­schen vie­len Stüh­len, einer­seits wer­den höch­ste Erwar­tun­gen gehegt, ande­rer­seits gefällt sich die Gesell­schaft in abfäl­li­gen Reden. — Das mag damit zusam­men­hän­gen, daß jede® von uns eine mehr oder min­der glück­li­che, gelun­ge­ne, viel­leicht aber eben auch trau­ma­ti­sie­ren­de Schul­erfah­rung hin­ter sich gebracht hat.

Es sind vie­le poten­ti­el­le Kon­flikt­fel­der, die auf­kom­men kön­nen im beruf­li­chen All­tag von Leh­rern. Daß es dabei Ermes­senspiel­räu­me, Hand­lungs­al­ter­na­ti­ven und vor allem auch Raum gibt, sich selbst und die eige­nen Idea­le mit ins Spiel zu brin­gen, soll in die­sem Semi­nar nicht nur the­ma­ti­siert, son­dern erfahr­bar gemacht werden.

Das Selbst­ver­ständ­nis und die Pro­fes­sio­na­li­tät sind gera­de bei Leh­rern ganz ent­schei­dend dafür, ob die vie­len unter­schied­li­chen und mit­un­ter para­do­xen Anfor­de­run­gen erfolg­reich gemei­stert wer­den: Es gilt, bei Schü­lern Inter­es­se zu wecken, aber deren Lei­stun­gen auch zu bewer­ten. Dabei spie­len immer wie­der psy­cho­lo­gi­sche, sozia­le und päd­ago­gi­sche Aspek­te mit hin­ein, etwa wenn man nur an Sexua­li­tät und Puber­tät denkt. — Mit­un­ter ist es bes­ser, wenn mög­lich, lie­ber Projekt–Unterricht anzu­re­gen, wenn kaum mehr was geht.

Es gibt klas­si­sche Kon­flikt­li­ni­en, etwa Eltern–Lehrer–Gespräche, in denen nicht sel­ten die eige­nen, oft nicht eben guten Schul–Erfahrungen der Eltern mit hin­ein­spie­len. Aber auch inter­kul­tu­rel­le Kon­flik­te kön­nen auf­kom­men. Das alles macht neben­her auch Kom­pe­ten­zen in der Media­ti­on erfor­der­lich. — Einer­seits wird indi­vi­du­el­le För­de­rung, Enga­ge­ment, ja sogar Empa­thie erwar­tet, ande­rer­seits muß und soll gerecht bewer­tet wer­den. Das alles spielt sich ab vor dem Hin­ter­grund, daß dabei Lebens­chan­cen zuge­teilt werden.

Gera­de in letz­ter Zeit sind gestie­ge­ne Anfor­de­run­gen bei Inklu­si­on und Inte­gra­ti­on hin­zu­ge­kom­men. Auch Straf– und Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men zäh­len zu den nicht eben ein­fa­chen Auf­ga­ben, die aller­dings wahr­ge­nom­men wer­den müs­sen. — Ein wei­te­rer, immer wie­der aku­ter und for­dern­der Bereich ist das Mob­bing, das sich gut ›durch­spie­len‹ läßt anhand von Inszenierungen.

Es gibt nicht das ein­zig rich­ti­ge pro­fes­sio­nel­le Ver­hal­ten, son­dern vie­le ver­schie­de­ne Beweg­grün­de, die sich erör­tern las­sen, was denn nun in einem kon­kre­ten Fall mög­lich, ange­mes­sen oder aber kon­tra­pro­duk­tiv sein könn­te. Päd­ago­gik kann viel aber nicht alles. Bei man­chen Pro­ble­men sind ande­re Dis­zi­pli­nen sehr viel erfah­re­ner und auch zustän­dig. — Unan­ge­brach­tes Enga­ge­ment kann selbst zum Pro­blem werden. 

Wich­tig ist ein pro­fes­sio­nel­les Selbst­ver­ständ­nis, wich­tig ist es, die eige­nen Gren­zen zu ken­nen, und mit­un­ter auch ein­fach mehr Lang­mut an den Tag zu legen. Zudem wer­den die Klas­sen immer hete­ro­ge­ner, so daß der klas­si­sche Unter­richt immer sel­te­ner wird. — Inklu­si­on, Inte­gra­ti­on oder eben Mul­ti­kul­tu­ra­li­tät gehö­ren inzwi­schen zum All­tag, machen aber Schu­le, Unter­richt und Leh­rer­sein nicht eben einfacher.

Gesell­schaft, Poli­tik, Wirt­schaft und Öffent­lich­keit set­zen zwar hohe Erwar­tun­gen in Schu­le und Leh­rer, gefal­len sich aber zugleich dar­in, den gan­zen Berufs­tand immer wie­der in ein unvor­teil­haf­tes Licht zu rücken. — Unver­ges­sen bleibt die Bemer­kung des ehe­ma­li­gen Kanz­lers Gehard Schrö­der, der ganz gene­rell die Leh­rer als fau­le Säcke bezeich­net hat.

„Ihr wißt doch ganz genau, was das für fau­le Säcke sind.“

Die­ses Bas­hing hat aller­dings Hin­ter­grün­de, die eben dar­in lie­gen dürf­ten, daß viel zu vie­le Schüler*innen ganz offen­bar kei­ne guten Schul­erfah­run­gen gemacht haben, wenn sie spä­ter als Eltern ihrer Kin­der wie­der die Schu­le aufsuchen.

Ausbildung oder Bildung?

Seit 2001 ist das Ethisch–Philosophische Grund­la­gen­stu­di­um (EPG) obli­ga­to­ri­scher Bestand­teil des Lehr­amts­stu­di­ums in Baden–Württemberg. Es besteht aus zwei Modu­len, EPG I und EPG II. — Ziel des EPG ist es, zukünf­ti­ge Leh­re­rIn­nen für wis­sen­schafts– und berufs­ethi­sche Fra­gen zu sen­si­bi­li­sie­ren und sie dazu zu befä­hi­gen, sol­che Fra­gen selb­stän­dig behan­deln zu kön­nen. The­ma­ti­siert wer­den die­se Fra­gen im Modul EPG II.

Um in allen die­sen Kon­flikt­fel­dern nicht nur zu bestehen, son­dern tat­säch­lich ange­mes­sen, pro­blem­be­wußt und mehr oder min­der geschickt zu agie­ren, braucht es zunächst ein­mal die Gewiß­heit, daß immer auch Ermes­sens– und Gestal­tungs­spiel­räu­me zur Ver­fü­gung ste­hen. Im Hin­ter­grund ste­hen Idea­le wie Bil­dung, Ent­fal­tung der Per­sön­lich­keit, die Erfah­rung erfül­len­der Arbeit und Erzie­hungs­zie­le, die einer huma­ni­sti­schen Päd­ago­gik ent­spre­chen, bei der es eigent­lich dar­auf ankä­me, die Schü­ler bes­ser gegen eine Gesell­schaft in Schutz zu neh­men, die immer for­dern­der auf­tritt. In die­sem Sin­ne steht auch nicht ein­fach nur Aus­bil­dung, son­dern eben Bil­dung auf dem Programm.

Auf ein– und das­sel­be Pro­blem läßt sich unter­schied­lich reagie­ren, je nach per­sön­li­cher Ein­schät­zung las­sen sich ver­schie­de­ne Lösungs­an­sät­ze ver­tre­ten. Es ist daher hilf­reich, mög­lichst vie­le ver­schie­de­ne Stel­lung­nah­men, Maß­nah­men und Ver­hal­tens­wei­sen syste­ma­tisch durch­zu­spie­len und zu erör­tern. Dann läßt sich bes­ser ein­schät­zen, wel­che davon den päd­ago­gi­schen Idea­len noch am ehe­sten gerecht werden.

So ent­steht all­mäh­lich das Bewußt­sein, nicht ein­fach nur agie­ren und reagie­ren zu müs­sen, son­dern bewußt gestal­ten zu kön­nen. Nichts ist hilf­rei­cher als die nöti­ge Zuver­sicht, in die­sen doch sehr anspruchs­vol­len Beruf nicht nur mit Selbst­ver­trau­en ein­zu­tre­ten, son­dern auch zuver­sicht­lich blei­ben zu kön­nen. Dabei ist es ganz beson­ders wich­tig, die Gren­zen der eige­nen Rol­le nicht nur zu sehen, son­dern auch zu wahren.

Stichworte für Themen

#„ADHS“ #Auf­merk­sam­keit #Bewer­tung in der Schu­le #Cyber­mob­bing #Digi­ta­li­sie­rung #Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men #Eltern­ge­sprä­che #Erzie­hung und Bil­dung #Gen­der­di­ver­si­ty #Hel­den­rei­se und Per­sön­lich­keit in der Schu­le #Inklu­si­on #Interesse–Lernen–Leistung #Inter­kul­tu­rel­le Inklu­si­on #Isla­mis­mus #Kon­flik­te mit dem Islam in der Schu­le #Kon­flikt­in­ter­ven­ti­on durch Lehr­per­so­nen #Leh­re­rIn sein #Leh­rer­ge­sund­heit #Medi­en­ein­satz #Medi­en­kom­pe­tenz #Mit­be­stim­mung in der Schu­le #Mob­bing #Online-Unter­richt #Poli­ti­cal Cor­rect­ness #Pro­fes­sio­nel­les Selbst­ver­ständ­nis #Pro­jekt­un­ter­richt #Puber­tät #Refe­ren­da­ri­at #Respekt #Schu­le und Uni­ver­si­tät #Schul­fahr­ten #Schul­ver­wei­ge­rung #Sexua­li­tät und Schu­le #Stra­fen und Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men #Zivi­ler Ungehorsam

Studienleistung

Eine regel­mä­ßi­ge und akti­ve Teil­nah­me am Dis­kurs ist wesent­lich für das Semi­nar­ge­sche­hen und daher obli­ga­to­risch. — Stu­di­en­lei­stung: Grup­pen­ar­beit, Prä­sen­ta­ti­on und Hausarbeit.


EPG II b (Online)

Ober­se­mi­nar

EPG II b (Online)

Ethisch–Philosophisches Grundlagenstudium II

WS 2021 | Beginn: 13. Januar 2022 | Ende: 27. Februar 2022 | Online und Block
Ab 13. Janu­ar 2022: 5 Semi­na­re online | sams­tags: 12:00–13:30 Uhr, sowie
3 Work­shops im Block: 25., 26., 27. Febru­ar 2022 | 14–19 Uhr | Raum: 30.91–110

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Zwischen den Stühlen

Eine Rol­le zu über­neh­men bedeu­tet, sie nicht nur zu spie­len, son­dern zu sein. Wer den Leh­rer­be­ruf ergreift, steht gewis­ser­ma­ßen zwi­schen vie­len Stüh­len, einer­seits wer­den höch­ste Erwar­tun­gen gehegt, ande­rer­seits gefällt sich die Gesell­schaft in abfäl­li­gen Reden. — Das mag damit zusam­men­hän­gen, daß jede® von uns eine mehr oder min­der glück­li­che, gelun­ge­ne, viel­leicht aber eben auch trau­ma­ti­sie­ren­de Schul­erfah­rung hin­ter sich gebracht hat.

Es sind vie­le poten­ti­el­le Kon­flikt­fel­der, die auf­kom­men kön­nen im beruf­li­chen All­tag von Leh­rern. Daß es dabei Ermes­senspiel­räu­me, Hand­lungs­al­ter­na­ti­ven und vor allem auch Raum gibt, sich selbst und die eige­nen Idea­le mit ins Spiel zu brin­gen, soll in die­sem Semi­nar nicht nur the­ma­ti­siert, son­dern erfahr­bar gemacht werden.

Das Selbst­ver­ständ­nis und die Pro­fes­sio­na­li­tät sind gera­de bei Leh­rern ganz ent­schei­dend dafür, ob die vie­len unter­schied­li­chen und mit­un­ter para­do­xen Anfor­de­run­gen erfolg­reich gemei­stert wer­den: Es gilt, bei Schü­lern Inter­es­se zu wecken, aber deren Lei­stun­gen auch zu bewer­ten. Dabei spie­len immer wie­der psy­cho­lo­gi­sche, sozia­le und päd­ago­gi­sche Aspek­te mit hin­ein, etwa wenn man nur an Sexua­li­tät und Puber­tät denkt. — Mit­un­ter ist es bes­ser, wenn mög­lich, lie­ber Projekt–Unterricht anzu­re­gen, wenn kaum mehr was geht.

Es gibt klas­si­sche Kon­flikt­li­ni­en, etwa Eltern–Lehrer–Gespräche, in denen nicht sel­ten die eige­nen, oft nicht eben guten Schul–Erfahrungen der Eltern mit hin­ein­spie­len. Aber auch inter­kul­tu­rel­le Kon­flik­te kön­nen auf­kom­men. Das alles macht neben­her auch Kom­pe­ten­zen in der Media­ti­on erfor­der­lich. — Einer­seits wird indi­vi­du­el­le För­de­rung, Enga­ge­ment, ja sogar Empa­thie erwar­tet, ande­rer­seits muß und soll gerecht bewer­tet wer­den. Das alles spielt sich ab vor dem Hin­ter­grund, daß dabei Lebens­chan­cen zuge­teilt werden.

Gera­de in letz­ter Zeit sind gestie­ge­ne Anfor­de­run­gen bei Inklu­si­on und Inte­gra­ti­on hin­zu­ge­kom­men. Auch Straf– und Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men zäh­len zu den nicht eben ein­fa­chen Auf­ga­ben, die aller­dings wahr­ge­nom­men wer­den müs­sen. — Ein wei­te­rer, immer wie­der aku­ter und for­dern­der Bereich ist das Mob­bing, das sich gut ›durch­spie­len‹ läßt anhand von Inszenierungen.

Es gibt nicht das ein­zig rich­ti­ge pro­fes­sio­nel­le Ver­hal­ten, son­dern vie­le ver­schie­de­ne Beweg­grün­de, die sich erör­tern las­sen, was denn nun in einem kon­kre­ten Fall mög­lich, ange­mes­sen oder aber kon­tra­pro­duk­tiv sein könn­te. Päd­ago­gik kann viel aber nicht alles. Bei man­chen Pro­ble­men sind ande­re Dis­zi­pli­nen sehr viel erfah­re­ner und auch zustän­dig. — Unan­ge­brach­tes Enga­ge­ment kann selbst zum Pro­blem werden. 

Wich­tig ist ein pro­fes­sio­nel­les Selbst­ver­ständ­nis, wich­tig ist es, die eige­nen Gren­zen zu ken­nen, und mit­un­ter auch ein­fach mehr Lang­mut an den Tag zu legen. Zudem wer­den die Klas­sen immer hete­ro­ge­ner, so daß der klas­si­sche Unter­richt immer sel­te­ner wird. — Inklu­si­on, Inte­gra­ti­on oder eben Mul­ti­kul­tu­ra­li­tät gehö­ren inzwi­schen zum All­tag, machen aber Schu­le, Unter­richt und Leh­rer­sein nicht eben einfacher.

Gesell­schaft, Poli­tik, Wirt­schaft und Öffent­lich­keit set­zen zwar hohe Erwar­tun­gen in Schu­le und Leh­rer, gefal­len sich aber zugleich dar­in, den gan­zen Berufs­tand immer wie­der in ein unvor­teil­haf­tes Licht zu rücken. — Unver­ges­sen bleibt die Bemer­kung des ehe­ma­li­gen Kanz­lers Gehard Schrö­der, der ganz gene­rell die Leh­rer als fau­le Säcke bezeich­net hat.

„Ihr wißt doch ganz genau, was das für fau­le Säcke sind.“

Die­ses Bas­hing hat aller­dings Hin­ter­grün­de, die eben dar­in lie­gen dürf­ten, daß viel zu vie­le Schüler*innen ganz offen­bar kei­ne guten Schul­erfah­run­gen gemacht haben, wenn sie spä­ter als Eltern ihrer Kin­der wie­der die Schu­le aufsuchen.

Ausbildung oder Bildung?

Seit 2001 ist das Ethisch–Philosophische Grund­la­gen­stu­di­um (EPG) obli­ga­to­ri­scher Bestand­teil des Lehr­amts­stu­di­ums in Baden–Württemberg. Es besteht aus zwei Modu­len, EPG I und EPG II. — Ziel des EPG ist es, zukünf­ti­ge Leh­re­rIn­nen für wis­sen­schafts– und berufs­ethi­sche Fra­gen zu sen­si­bi­li­sie­ren und sie dazu zu befä­hi­gen, sol­che Fra­gen selb­stän­dig behan­deln zu kön­nen. The­ma­ti­siert wer­den die­se Fra­gen im Modul EPG II.

Um in allen die­sen Kon­flikt­fel­dern nicht nur zu bestehen, son­dern tat­säch­lich ange­mes­sen, pro­blem­be­wußt und mehr oder min­der geschickt zu agie­ren, braucht es zunächst ein­mal die Gewiß­heit, daß immer auch Ermes­sens– und Gestal­tungs­spiel­räu­me zur Ver­fü­gung ste­hen. Im Hin­ter­grund ste­hen Idea­le wie Bil­dung, Ent­fal­tung der Per­sön­lich­keit, die Erfah­rung erfül­len­der Arbeit und Erzie­hungs­zie­le, die einer huma­ni­sti­schen Päd­ago­gik ent­spre­chen, bei der es eigent­lich dar­auf ankä­me, die Schü­ler bes­ser gegen eine Gesell­schaft in Schutz zu neh­men, die immer for­dern­der auf­tritt. In die­sem Sin­ne steht auch nicht ein­fach nur Aus­bil­dung, son­dern eben Bil­dung auf dem Programm.

Auf ein– und das­sel­be Pro­blem läßt sich unter­schied­lich reagie­ren, je nach per­sön­li­cher Ein­schät­zung las­sen sich ver­schie­de­ne Lösungs­an­sät­ze ver­tre­ten. Es ist daher hilf­reich, mög­lichst vie­le ver­schie­de­ne Stel­lung­nah­men, Maß­nah­men und Ver­hal­tens­wei­sen syste­ma­tisch durch­zu­spie­len und zu erör­tern. Dann läßt sich bes­ser ein­schät­zen, wel­che davon den päd­ago­gi­schen Idea­len noch am ehe­sten gerecht werden.

So ent­steht all­mäh­lich das Bewußt­sein, nicht ein­fach nur agie­ren und reagie­ren zu müs­sen, son­dern bewußt gestal­ten zu kön­nen. Nichts ist hilf­rei­cher als die nöti­ge Zuver­sicht, in die­sen doch sehr anspruchs­vol­len Beruf nicht nur mit Selbst­ver­trau­en ein­zu­tre­ten, son­dern auch zuver­sicht­lich blei­ben zu kön­nen. Dabei ist es ganz beson­ders wich­tig, die Gren­zen der eige­nen Rol­le nicht nur zu sehen, son­dern auch zu wahren.

Stichworte für Themen

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Studienleistung

Eine regel­mä­ßi­ge und akti­ve Teil­nah­me am Dis­kurs ist wesent­lich für das Semi­nar­ge­sche­hen und daher obli­ga­to­risch. — Stu­di­en­lei­stung: Grup­pen­ar­beit, Prä­sen­ta­ti­on und Hausarbeit.


Technikethik

Tech­nik­ethik:

Tech­ni­sche Ent­wick­lun­gen kon­tro­vers reflektieren

Kolloquium 

WS 2021 | don­ners­tags | 14:00–15:30 | Online
Beginn: 28. Okt. 2021 | Ende: 10. Febr. 2022

Zum Kommentar als PDF

Von Ver­ant­wor­tung ist immer wie­der die Rede. Ja, sie ist vakant und der Lauf der Welt ist alles ande­re als ver­trau­ens­er­weckend. Der gute Wil­le allein genügt nicht. Zu unter­schei­den sind min­de­stens das Sub­jekt der Ver­ant­wor­tung, der Ver­ant­wor­tungs­be­reich und die Ver­ant­wor­tungs­in­stanz, (ehe­dem Gott und jetzt?).

Es gilt näher hin­zu­se­hen, wenn wir Fra­gen der Ver­ant­wor­tung ange­hen wol­len, denn der Begriff ist mehr­di­men­sio­nal. Der Karls­ru­her Tech­nik­phi­lo­soph Gün­ter Ropohl hat das Gan­ze auf eine For­mel mit sie­ben Varia­blen gebracht: Wer ver­ant­wor­tet was, wofür, wes­we­gen, wovor, wann, wie? Wir müs­sen doch nicht alles machen, was wir kön­nen. Wie weit geht ihre (per­sön­li­che) Ver­ant­wor­tung wirklich?

Die­ses Kol­lo­qui­um soll Fra­gen der Tech­nik­ethik prak­tisch erfahr­bar machen. Das wird anhand von Fall­stu­di­en aus ihren eige­nen zukünf­ti­gen Berufs­fel­dern gesche­hen, die sich aus unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven dis­ku­tie­ren las­sen. Dabei kommt es weni­ger auf das Ergeb­nis an, son­dern auf die Qua­li­tät und den Aus­tausch der vor­ge­brach­ten Argumente.

Betrei­ben wir also Tech­nik­ethik ganz kon­kret. Neh­men wir uns rea­le Situa­tio­nen vor: sei­en es der Abgas­skan­dal, Stel­lung­nah­men zum Ein­satz von Gen­ma­ni­pu­la­ti­on, der Ein­sturz der Brücke in Genua, Unfäl­le im Rah­men von Fahr­ten mit auto­no­men Pkw — oder was immer Sie umtreibt. Tun wir so, als wären wir unmit­tel­bar dabei und hät­ten etwas zu sagen. Insze­nie­ren wir die Kon­tro­ver­sen, in denen Tech­nik­li­ni­en gestal­tet wer­den, um sie am eige­nen Leib zu
erfah­ren. Die Ver­an­stal­tung soll Ihnen dazu die­nen, Erfah­run­gen zu machen, die spä­ter womög­lich auf Sie zukom­men. Es ist dann fast wie ein Pri­vi­leg, sich spä­ter dar­an zurück­er­in­nern zu kön­nen, so etwas Ähn­li­ches schon ein­mal durch­ge­spielt zu haben.

Nein, wir müs­sen es nicht.
Aber?
Aber wir wer­den es machen.
Und wes­halb?
Weil wir nicht ertra­gen, wenn der klein­ste Zwei­fel bleibt,
ob wir es wirk­lich können.

(Hans Blu­men­berg)

Dirck van Babu­ren: Pro­me­theus wird von Vul­kan ange­ket­tet (1623). — Quel­le: Public Domain via Wiki­me­dia. — Pro­me­theus, der Gott des Fort­schritts, wird auf Geheiß des Zeus, unter Auf­sicht des Göt­ter­bo­ten Her­mes, vom Gott der Tech­nik Vul­kan an einen Fel­sen im Kau­ka­sus geschmie­det. Sein Ver­ge­hen: Er hat aus Men­schen­lie­be die Tech­nik zu den Men­schen gebracht. Die­se soll­ten dar­auf den Fort­schritt eini­ge Jahr­tau­sen­de nicht mehr zu Gesicht bekommen.

Die Zei­ten sind vor­bei, als Inge­nieu­re und Inge­nieu­rin­nen fast jede wei­te­re Ver­ant­wor­tung noch zurück­wie­sen mit den Wor­ten, sie wür­den die Tech­nik nur her­stel­len, sei­en aber nicht ver­ant­wort­lich dafür, was dar­aus wür­de. — Aber machen wir uns nichts vor, Ver­su­che, den tech­ni­schen Fort­schritt auf ›bes­se­re‹ Bah­nen zu len­ken, gab es vie­le. Unver­ges­sen ist das Wort von Ulrich Beck: Die Ethik spielt im Modell der ver­selb­stän­dig­ten Wis­sen­schaf­ten die Rol­le einer Fahr­rad­brem­se am Inter­con­ti­nen­tal Flugzeug. 

For­de­run­gen nach Ethik, Ver­ant­wor­tung, Tech­nik­fol­gen­ab­schät­zung, nach­hal­ti­gem Wachs­tum und Kil­ma­schutz wer­den tag­täg­lich erho­ben und sind nicht unpro­ble­ma­tisch, denn es ist auch Über­for­de­rung im Spiel. Wofür sind wir als Ein­zel­ne ver­ant­wort­lich und wie soll denn die Gesamt­ver­ant­wor­tung wahr­ge­nom­men wer­den? All­mäh­lich wird es Zeit. Wer gibt die Tech­nik­zie­le vor oder gene­rie­ren sie sich selbst? 

Was vie­le Ver­schwö­rungs­theo­rien noch unter­stel­len: Es gibt sie nicht, die Schalt­zen­tra­len der Macht, in denen die Zie­le des Fort­schritts vor­ge­ge­ben, der Kurs ein­ge­stellt und die Ent­wick­lun­gen koor­di­niert wer­den. Zwei­fels­oh­ne spie­len Tech­nik und Wirt­schaft eine gro­ße Rol­le, aber auch Poli­tik und Kultur.

Der blaue Pla­net ist zur Anthro­po­sphä­re gewor­den. Inzwi­schen wur­de bereits ein neu­es Erd­zeit­al­ter aus­ge­ru­fen, das Anthro­po­zän. Die Zivi­li­sa­ti­on ist nun­mehr alles ent­schei­dend für das Schick­sal des gan­zen Pla­ne­ten und die Zukunft der Mensch­heit. Die Erde ist zum Raum­schiff gewor­den. Wir rasen durch einen lebens­feind­li­chen Raum, hin­ter uns eine erst kur­ze Epi­so­de der Zivi­li­sa­ti­on und vor uns eine Zukunft, die mit sich selbst auf Kol­li­si­ons­kurs geht.

Wenn es sie denn gäbe, die Kommando–Brücke, in der die Navi­ga­ti­on vor­ge­nom­men wird, wenn wir dort­hin­ein gelan­gen könn­ten, es wäre der Schock unse­res Lebens. Denn die Pilo­ten­kan­zel ist leer, alles steht auf Auto­pi­lot und nie­mand wäre in der Lage, den Flug ›von Hand‹ zu steu­ern. Dabei ist das Gan­ze kei­nes­wegs nur eine Fra­ge der Tech­nik, son­dern auch eine von Poli­tik, Wirt­schaft, Recht, Kul­tur, Wis­sen­schaft und vie­lem ande­ren mehr.

Jan Cos­siers: Car­ry­ing Fire (ca. 1630). Pro­me­theus stiehlt das Feu­er aus der Werk­statt des Vul­kan. Es ist nicht das Herd­feu­er, das hat­ten die Men­schen schon sehr lang. Es ist das Metall­ur­gen­feu­er, womit die Bron­ze­zeit begann und
dann auch die Zivi­li­sa­ti­on. — Quel­le: Public Domain via Wikimedia.

Daher genügt es längst nicht mehr, ein­fach nur ›gute‹ Tech­nik zu machen, Pro­ble­me prag­ma­tisch zu lösen, im Sin­ne des ›sta­te of the art‹ zu ent­wickeln, Nor­men und Vor­schrif­ten ein­zu­hal­ten usw. usf. — Dar­über hin­aus stellt sich vor allem auch die Fra­ge, wie weit denn die per­sön­li­che Ver­ant­wor­tung rei­chen soll. Es ist nicht allein die Tech­nik, die den Fort­schritt bestimmt, es sind vie­le ver­schie­de­nen Fak­to­ren, die eine Rol­le spie­len. — Die Rol­len im Mythos vom Pro­me­theus, der den tech­ni­schen Fort­schritt zur Dar­stel­lung bringt, las­sen die Zusam­men­hän­ge erahnen. 

Da ist der Men­schen­freund Pro­me­theus, der mit besten Absich­ten die Ent­wick­lung anfacht, aber eigent­lich nicht sehr glück­lich agiert. Da ist Vul­kan, der Tech­ni­ker, der alles tut, was ihm auf­ge­tra­gen wird. Er murrt zwar, als er den geschätz­ten Kol­le­gen anket­ten soll, aber er tut es. Da ist Zeus, der ein ambi­va­len­tes Ver­hält­nis zur Mensch­heit hat und daher hin und her­ge­ris­sen ist über das Prometheus–Projekt. Da ist Athe­ne, die Göt­tin der Weis­heit, die den neu­en Zivi­li­sa­ti­ons­men­schen eine See­le ein­haucht. Sie spen­det auch die Wis­sen­schaft und die Ver­nunft. Außer­dem ist da noch Pan­do­ra, die mit allen Gaben Beschenk­te, die die Gaben der abdan­ken­den Göt­ter zu den Men­schen bringt, aber eben auch die damit ver­bun­de­nen Übel. Und da ist noch Epi­me­theus, ein Melan­cho­li­ker, der sich in Pan­do­ra ver­liebt. — Das dürf­te genü­gen, die ver­schie­de­nen Sei­ten und Inter­es­sen zu cha­rak­te­ri­sie­ren, die dafür sor­gen, daß der Fort­schritt eben einen bestimm­ten Gang nimmt.

Als der Mün­che­ner Sozio­lo­gie Ulrich Beck im Jah­re 1958 den Ein­tritt in die Risi­ko­ge­sell­schaft dia­gno­sti­zier­te, sah er den technisch–ökonomischen Fort­schritt über­la­gert von immer grö­ße­ren, unge­plan­ten Neben­fol­gen, grenz­über­schrei­ten­den Umwelt­pro­ble­men und glo­ba­len Fol­gen Es gibt inzwi­schen einen Grad an Kom­ple­xi­tät, der sich nicht mehr steu­ern oder gar beherr­schen läßt. Eigent­lich müß­ten alle unse­re Inno­va­tio­nen unter­halb die­ser Schwel­le blei­ben, aber das Gegen­teil ist der Fall. Also wofür sind Tech­ni­ker, Inge­nieu­re und Inge­nieu­rin­nen wirk­lich ver­ant­wort­lich? Wel­cher Teil der Ver­ant­wor­tung fällt ande­ren zu?

Har­ry Bates: Akt (1891). Auf Geheiß des Zeus wur­de von Vul­kan eine Frau erschaf­fen, mit allen Gaben der Göt­ter aus­ge­stat­tet und von Her­mes zu den Men­schen gebracht. Sie brach­te jedoch nicht nur die Fähig­kei­ten der Göt­ter, son­dern auch die damit ver­bun­de­nen Übel auf die Erde. — Quel­le: Public Domain via Wikimedia.

Es ist kei­ne unpro­ble­ma­ti­sche Ent­wick­lung, daß in den letz­ten Jahr­zehn­ten immer mehr Ver­ant­wor­tung auf Ein­zel­ne über­tra­gen wur­de, wäh­rend die Gesamt­ver­ant­wor­tung sich immer wei­ter ver­flüch­tigt. Wer ver­ant­wort­lich sein soll, muß gestal­ten, muß auch anders ent­schei­den kön­nen, erst dann kann Ver­ant­wor­tung zuge­schrie­ben wer­den. — Inso­fern ist der Anspruch auf Ethik und Moral das eine, wie damit ganz prak­tisch umge­gan­gen wer­den kann, ist das ande­re. Sich ver­ant­wort­lich zu füh­len für Ver­hält­nis­se, die nicht in der eige­nen Macht ste­hen, ist daher nicht unpro­ble­ma­tisch. Wer Ver­ant­wor­tung über­nimmt, muß ›Nein sagen‹ kön­nen oder ›So nicht!‹.

In die­sem Semi­nar sol­len sol­che Kon­flik­te in Wert­fra­gen, Ziel­kon­flik­ten und der mora­li­schen Inte­gri­tät durch­ge­spielt wer­den. Das geschieht anhand von Bei­spie­len ein­schlä­gi­ger Dilemma–Situationen. Mit­un­ter sind die Rah­men­be­din­gun­gen schon pro­ble­ma­tisch, etwa wenn es gilt, unter den Bedin­gun­gen schlech­ter Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­hält­nis­se und aus Sor­ge um die eige­ne Repu­ta­ti­on fach­lich kom­pe­tent und mora­lisch inte­ger zu han­deln. Dazu bedarf es eini­ger Erfah­run­gen, die genau­so wich­tig sind wie das gan­ze tech­ni­sche Know–how.

Dazu hat der Kon­stan­zer Phi­lo­soph und Wis­sen­schafts­theo­re­ti­ker Jür­gen Mit­tel­straß eine hilf­rei­che Unter­schei­dung geprägt: Zum tech­ni­schen Ver­fü­gungs­wis­sen gehört auch ein eben­so wich­ti­ges Ori­en­tie­rungs­wis­sen. Das eine sagt uns wie, das ande­re aber wozu. — Mit­un­ter gera­ten aber das Wie und das Wozu in Wider­sprü­che. Die Tech­nik­ge­schich­te ist voll sol­cher Bei­spie­le, wo erst sehr viel spä­ter sich Neben­fol­gen mit kolos­sa­len Wir­kun­gen zei­gen, bis sie end­lich wahr­ge­nom­men und the­ma­ti­siert werden.

Und natür­lich stellt sich immer wie­der die Fra­ge, ob es nicht doch eine ›bes­se­re‹ Tech­nik gibt, eine, die von vorn­her­ein weni­ger Neben­fol­gen hat. Tech­ni­ku­to­pien sind daher eine wich­ti­ge Ori­en­tie­rungs­hil­fe, vor allem dann, wenn kri­tisch damit umge­gan­gen wird. Wesent­lich ist es, die ver­schie­de­nen Aspek­te erör­tern zu kön­nen und nicht zuletzt, ande­re zu über­zeu­gen. Dazu ist kri­ti­sches Den­ken erfor­der­lich. Daher geht es um die ethi­sche, poli­ti­sche, öko­no­mi­sche und öko­lo­gi­sche Ver­ant­wor­tung im Inge­nieur­we­sen. Erst das macht ›gute‹ Tech­nik mög­lich, ein ›gutes‹ Gewis­sen und nicht zuletzt gute Professionalität. 

Band­icoot Robot: Con­ver­ting man­ho­le to robo­ho­le (2018). — Quel­le: Public Domain via Wikimedia.


Staat, Gesellschaft, Gemeinschaft, Identität

Staat, Gesellschaft, Gemeinschaft, Identität

Vom Clan zum globalen Dorf: Emanzipation ist Selbstorientierung

Phi­lo­so­phie moti­viert den Mut, durch Selbst­ori­en­tie­rung über sich selbst hin­aus­zu­wach­sen, sich immer wei­ter zu eman­zi­pie­ren von jeder Fremd­be­stim­mung durch Natur, Clan­g­eist, Gemein­schaft oder Gesell­schaft, bis hin zum Staat, der auch nicht unbe­ding­ten Gehor­sam ver­dient, all­zu­mal, wenn die­ser not­wen­di­gen Ent­wick­lun­gen im Wege steht. Phi­lo­so­phie ist wie ein guter Geist in fin­ste­ren Zei­ten, der Zuver­sicht ver­mit­telt, in der Eman­zi­pa­ti­on, der Indi­vi­dua­ti­on, der Selbst­ori­en­tie­rung und im Wunsch nach einer Glück­se­lig­keit, die es mit der der Göt­ter auf­neh­men kann.

Flamma­ri­on. Holz­stich eines unbe­kann­ten Künst­lers. In: Camil­le Flamma­ri­on: Die Atmo­sphä­re. Popu­lä­re Meteo­ro­lo­gie; Paris 1888. S. 163. — Quel­le: Public Domain via Wikimedia.

Phi­lo­so­phie muß nach­voll­zieh­bar sein, sie soll­te sich daher in aller Offen­heit ent­wickeln. Wir kön­nen Ver­nunft nicht besit­zen, wir kön­nen uns nur bemü­hen, ‘ver­nünf­tig zu wer­den’, indem wir uns auf Dia­lo­ge und Dis­kur­se ein­las­sen, in denen die Rat­schlüs­se der Ver­nunft erst zustan­de gebracht wer­den müs­sen. Es geht um das ent­schei­den­de Ori­en­tie­rungs­wis­sen, und wo das nicht hin­rei­chend ist, sind Dis­kur­se über Ori­en­tie­rungs­ori­en­tie­rung erforderlich.

Selbst­wer­dung, Selbst­ori­en­tie­rung steht auf dem Pro­gramm. Das kann nicht nur, das muß stets indi­vi­du­ell von­stat­ten gehen. Nicht von unge­fähr wird jede Phi­lo­so­phie arg­wöh­nisch betrach­tet, vor allem, wenn sie sich anschickt, ihren Kopf durch die Wol­ken­decke der vor­ge­ge­be­nen Welt­ord­nung zu stecken.

Im Ver­lauf der Anthro­po­ge­ne­se, der Kul­tur– und der Zivi­li­sa­ti­ons­ge­schich­te, läßt sich eine Ten­denz von der Hete­ro­no­mie zur Auto­no­mie beob­ach­ten. Mit neu­en Tech­ni­ken kom­men neue Lebens­wei­sen auf und mit ihnen neue Göt­ter und neue Anschau­ungs­for­men. Was zuvor aus­ge­schlos­sen schien, wird mög­lich, was zuvor üblich war, kann schnell obso­let werden.

Es ver­steht sich, daß jeder Wand­lungs­pro­zeß immer Ver­lie­rer und Gewin­ner erzeugt. Eta­blier­te Auto­ri­tä­ten kön­nen fast über Nacht eine zuvor noch unum­strit­te­ne Aner­ken­nung ein­bü­ßen. Neue Leit­bil­der ent­ste­hen, die stets an den Bruch­li­ni­en zwi­schen Gemein­schaft und Gesell­schaft ver­lau­fen, aber auch an denen zwi­schen Indi­vi­du­um und Gesell­schaft. Gera­de mit dem Indi­vi­dua­lis­mus, der all­mäh­lich in den Städ­ten auf­kommt, gehen immense sub­jek­ti­ve und inter­sub­jek­ti­ve Bela­stun­gen einher.

Mit jeder neu­en Zeit betre­ten neue Göt­ter und Prie­ster­schaf­ten die Büh­ne der Kul­tur­ge­schich­te: Das war so, als die Schrift erfun­den wur­de und neue Göt­ter auf­ka­men, die im Buch des Lebens lesen und zu Gericht sit­zen soll­ten, doch vor allem, um die Ver­hält­nis­se in den neu­en urba­nen Wel­ten zu stabilisieren.

Im Ver­hält­nis zur tie­ri­schen Her­kunft liegt das Geheim­nis des Mensch­seins dar­in, daß wir mit­hil­fe von Spra­che und Kul­tur all­mäh­lich alle erdenk­li­chen Erfah­run­gen, die ein­zel­ne Men­schen jemals gemacht haben, mit­ein­an­der tei­len, nach­voll­zie­hen und uns leib­haf­tig aneig­nen kön­nen. Zivi­li­sa­ti­on stei­gert die Pro­zes­se der Erfah­rung von Erfah­run­gen um ein Viel­fa­ches. Das ver­schafft sehr viel mehr Lebens- und Aus­drucks­mög­lich­kei­ten, es erzeugt zugleich aber auch sehr viel mehr Unsi­cher­heit. Inso­fern ist Zivi­li­sa­ti­on wie ein Joker, alles Ler­nen, jede Erfah­rung, Ein­sich­ten, Erkennt­nis­se und Impres­sio­nen zählt plötz­lich sehr viel mehr, weil, wenn und sobald wir sie mit­tei­len, also mit ande­ren tei­len können.

Tho­mas Cole: The Cour­se of Empire. Third Epi­so­de: The Con­sum­ma­ti­on of Empire. 1835/6, New–York, Histo­ri­cal Socie­ty. — Quel­le: Public Domain via Wikimedia.

Der Staat muß alle die­se Koexi­sten­zen gewähr­lei­sten, und er wird kol­la­bie­ren, wenn es ihm nicht gelingt, eine Viel­falt von Gemein­schaf­ten in und mit ihren Inter­es­sen dau­er­haft mit­ein­an­der zu ver­ge­sell­schaf­ten. Der Staat kann zwar nicht wis­sen, was die Gesell­schaft umtreibt, aber es ist sei­ne Auf­ga­be, ihr zu die­nen und nicht über sie zu herr­schen. Ihm fehlt schlicht­weg die Phan­ta­sie, auch nur annä­hernd beur­tei­len zu kön­nen, was gera­de gesell­schaft­lich von Bedeu­tung ist, war­um und wozu.

In die­sem Kon­text spie­len neue Über­wa­chungs– und Spio­na­ge­mög­lich­kei­ten, ins­be­son­de­re der Ein­satz von Künst­li­cher Intel­li­genz eine weg­wei­sen­de Rol­le. Auf der Agen­da der Welt­ge­schich­te steht die Alter­na­ti­ve: Ent­we­der Tota­li­ta­ris­mus oder Demo­kra­tie, ent­we­der Mis­an­thro­pis­mus oder Humanismus.

Der­zeit schlit­tern nicht weni­ge auch west­li­che Staa­ten auf den Weg in die umfas­sen­de Über­wa­chung des Öffent­li­chen Raums und aller sozia­len Net­ze. Nie war die Gele­gen­heit so greif­bar, göt­ter­gleich alles zu sehen, zu wis­sen und zu deu­ten, um damit zu machen, was auch immer irgend­wel­chen Macht­ha­bern gefällt, wenn, wo und solan­ge sie nicht durch rechts­staat­li­che Siche­run­gen, Ver­fas­sun­gen und Gerich­te davon abge­hal­ten werden.

Man­che den­ken auch dar­an, den Pro­zeß der Zivi­li­sa­ti­on zu stop­pen und die gan­ze Ent­wick­lung mehr oder min­der wie­der umzu­keh­ren oder sie ein­zu­frie­ren wie die Ami­schen, eine täuferisch–protestantische Glau­bens­ge­mein­schaft, die den Fort­schritt still­ge­stellt haben kurz vor Ein­füh­rung von Auto und Elektromotor.

Tho­mas Cole: The Cour­se of Empire. Fourth Epi­so­de: Des­truc­tion (1836). New–York, Histo­ri­cal Socie­ty. — Quel­le: Public Domain via Wikimedia.

Tat­säch­lich sind Ver­lu­ste zu ver­zeich­nen, die im Pro­zeß der Zivi­li­sa­ti­on mit auf­ge­kom­men sind, wovon eini­ge äußerst schmerz­haft sind. Eigent­lich ent­spricht es dem Wesen jener Kul­tu­ren, die vor jeder Zivi­li­sa­ti­on ihren Bestand hat­ten, Geschich­te als sol­che erst gar nicht auf­kom­men zu las­sen. – Also wur­de jede Dyna­mik ver­hin­dert, kein Ungleich­ge­wicht soll­te auf­kom­men und wo doch, dort wur­de alles unmit­tel­bar wie­der aus­ge­gli­chen durch Opfer, die das Errun­ge­ne gleich wie­der neu­tra­li­sier­ten, auf daß kei­ne ‘Geschich­te’ in Gang kom­men kann.

Nach dem Bruch mit dem Geist geschichts­lo­ser Kul­tur sind immer wie­der Ver­su­che dazu gemacht wor­den und eben­so oft sind sie geschei­tert. Offen­bar gelingt es spä­ter nicht mehr, aus der Dyna­mik aus­zu­stei­gen, um wie­der ein alles umgrei­fen­des gei­sti­ges umgrei­fen­des Gleich­ge­wicht zu schaf­fen und in einer Kul­tur als geleb­tes Leben zu etablieren.

Uto­pien spie­len mit die­sen Visio­nen, sie spe­ku­lie­ren wie Sisy­phus dar­auf, daß es >ein­mal< doch gelin­gen kann. – Sobald es aber wirk­lich ernst­haft ver­sucht wor­den ist, Uto­pien in die Tat umzu­set­zen, bleibt davon oft nur schlech­ter Utopismus.

Aus der Zivi­li­sa­ti­ons­ge­schich­te zu ler­nen bedeu­tet viel, u.a. zu wis­sen, daß es nicht gelin­gen kann, nach mit­tel­al­ter­li­chem Muster die Gesell­schaft in eine Zwangs­ge­mein­schaft zu ver­wan­deln. Dif­fe­ren­zen las­sen sich weder reli­gi­ös noch ideo­lo­gisch ein­fach ver­bie­ten. Die ein­zi­ge Mög­lich­keit den Geist einer alles umgrei­fen­den huma­nen Kul­tur auf­kom­men zu las­sen, wäre die einer huma­nen Demo­kra­tie, in der Par­ti­zi­pa­ti­on gelebt wird.

Con­chi­ta Wurst für Öster­reich mit dem Lied „Rise Like a Phoe­nix“ bei der er- sten Kostüm­pro­be für das Fina­le des Euro­vi­si­on Song Con­test 2014 Kopen- hagen. — Quel­le: Albin Ols­son, Eige­nes Werk, CC BY-SA 3.0, Public Domain via Wikimedia.

Im Pro­zeß der Psy­cho­ge­ne­se kommt ganz all­mäh­lich immer mehr Indi­vi­dua­li­tät auf. Zunächst lang­sam, dann immer schnel­ler wird eine histo­ri­sche Dyna­mik ent­facht, die sich inzwi­schen selbst per­p­etu­iert. — Von Epo­che zu Epo­che wer­den immer neue Ansprü­che auf per­sön­li­chen Aus­druck immer radi­ka­ler gel­tend gemacht, gegen Staat, Gesell­schaft und Gemein­schaft. Erst die­se Dif­fe­ren­zen brin­gen die Zivi­li­sa­ti­ons­ge­schich­te in Gang. Sie gene­rie­ren die Dyna­mik der Zivi­li­sa­ti­ons­ge­schich­te und beschleu­ni­gen die Wand­lungs­pro­zes­se inzwi­schen immer mehr.

Gegen­wär­tig brin­gen Debat­ten über indi­vi­dua­li­sti­sche, sin­gu­lä­re Iden­ti­tä­ten zusätz­li­che Irri­ta­tio­nen mit sich und lösen einen wei­te­ren Schub der Indi­vi­dua­li­sie­rung aus. — Nach­dem die binä­re Dif­fe­ren­zie­rung, ent­we­der weib­lich oder aber männ­lich ›sein‹ zu müs­sen, immer wei­ter dekon­stru­iert wur­de, wer­den ver­schie­de­ne Aspek­te des Männ­li­chen und Weib­li­chen belie­big mit­ein­an­der kom­bi­nier­bar. Zugleich steigt damit aber auch die all­ge­mei­ne Verunsicherung.

Es geht inzwi­schen nicht mehr nur um Indi­vi­dua­li­tät, son­dern immer mehr auch um die Selbst­in­sze­nie­rung der eige­nen Sin­gu­la­ri­tät und dar­um, gegen Staat, Gesell­schaft und Gemein­schaft ganz neu moti­vier­te For­de­run­gen auf Ach­tung, Aner­ken­nung und Schutz gel­tend zu machen. — Auch die Indi­vi­dua­li­sie­rung kommt im Pro­zeß der Zivi­li­sa­ti­on auf, sie ist das eigent­li­che Movens. Die Lebens­ver­hält­nis­se wan­deln sich, also läßt sich auch die gan­ze Selbst­ori­en­tie­rung ver­än­dern. Nach die­sem Meta­prin­zip bricht jede Indi­vi­dua­ti­on mit ›alt­ehr­wür­di­gen‹ Traditionen.

Zugleich kommt all­ge­mei­ne Ver­un­si­che­rung auf, weil immer auch Erwar­tungs­si­cher­hei­ten dar­über ver­lo­ren gehen und immer mehr Ambi­va­len­zen und Ambi­gui­tä­ten spür­bar wer­den. Gera­de die ganz neu­en Frei­hei­ten, Indi­vi­dua­li­sie­run­gen und Sin­gu­la­ri­tä­ten haben einen beson­ders hohen Preis, weil zusätz­li­che psy­chi­sche aber auch sozia­le Bela­stun­gen damit aufkommen.

Jede neue Frei­heit geht mit Frei­heits­schmer­zen ein­her. Sich etwas davon ›her­aus­zu­neh­men‹, damit Irri­ta­tio­nen aus­zu­lö­sen und womög­lich auch Zorn auf sich zu zie­hen, ist das eine. Neue und ande­re Maß­stä­be aber auf Dau­er zu leben, ist etwas ganz ande­res. — Indi­vi­dua­ti­on ist das trei­ben­de Moment, das den Pro­zeß der Zivi­li­sa­ti­on zunächst über­haupt erst in Gang gebracht hat und ihn seit­her durch immer neue Span­nun­gen und Wider­sprü­che immer schnel­ler über sich hinaustreibt.


Worauf es wirklich ankommt.

Vortrag: Bildungshaus Batschuns, Österreich, 11.06.2021

In einer Kri­se zeigt sich, wer wir sind und wor­auf wir uns wirk­lich ver­las­sen kön­nen und wie sta­bil die Ver­hält­nis­se wirk­lich sind. Ob wir es wol­len oder nicht: Kri­sen sind Bewäh­rungs­pro­ben, dann zeigt sich, ob wir uns anpas­sen, ver­än­dern oder viel­leicht sogar über uns hin­aus­wach­sen können.

Reden stärkt, vor allem Ver­ste­hen. Angst schwächt, eben­so wie Hetz­kam­pa­gnen, das alles ver­wirrt und schmä­lert die Kräf­te. – Neue Stär­ken ent­ste­hen, sobald wir läh­men­de Äng­ste behut­sam überwinden.

Eine Kri­se kann vor­über­ge­hend sein, im psy­cho­lo­gi­schen Sin­ne sind Kri­sen jedoch nur der Anfang umfas­sen­der Wand­lungs­pro­zes­se. – In Mär­chen und Mythen macht die Kri­se den Anfang, dann folgt zunächst die Kathar­sis und dar­auf die Transformation.

Vor allem für die Päd­ago­gik zei­gen die Erfah­run­gen der letz­ten 15 Mona­te, daß die Welt von Men­schen gemacht und zu ver­ant­wor­ten ist. Auch die Men­schen­bil­der, die Unkul­tur öffent­li­cher Debat­ten, der Rück­fall in fast reli­giö­se Äng­ste, das alles gibt zu denken.

Die­se Welt, so wie sie ist, hat kei­ne Zukunft. Dabei ist die Kli­ma­fra­ge nur wie die Spit­ze eines Eis­bergs. Wich­tig wäre es, end­lich auch in der Poli­tik ein posi­ti­ves Men­schen­bild an den Tag zu legen, wie es in Päd­ago­gik und Psy­cho­lo­gie schon seit den 70er Jah­ren üblich ist. Staat, Poli­tik und Behör­den gehen aber immer noch vom Obrig­keits­staat aus, wenn sie mei­nen, mün­di­ge Men­schen vor sich selbst schüt­zen zu müssen.

Das Bild vom Guten Hir­ten und sei­ner Her­de ist obso­let, es soll­te den vie­len Auto­kra­ten über­las­sen wer­den. Der in der Coro­na-Kri­se erstark­te Staat wird blei­ben. Daher müs­sen die Gegen­ge­wich­te gestärkt wer­den, also brau­chen wir mehr Demo­kra­tie und mehr Gerichts­hö­fe, an denen sich Staat und Poli­tik recht­fer­ti­gen müssen.

Das wird aber alles nicht rei­chen, wenn man bedenkt, was eigent­lich alles inzwi­schen zur Nei­ge geht. Aller­dings war die Zivi­li­sa­ti­on, seit sie vor 12.000 Jah­ren ent­stand, immer schon eine insta­bi­le Angelegenheit.

Vor allem jene Ent­wick­lun­gen, auf die Päd­ago­gik, Psy­cho­lo­gie und Phi­lo­so­phie beson­ders Wert legen, sind über­haupt nicht mit­ge­kom­men. – Das Feh­len­de nach­zu­ho­len ist und bleibt eine Auf­ga­be, in der es vor allem sehr viel sehr pro­fes­sio­nel­le Päd­ago­gik braucht. Schließ­lich ist jeder Mensch ein­zig­ar­tig, dar­in lie­gen Hoff­nun­gen, nur nie­man­den zu verlieren.


LIVE! music, life et cetera…

Heming­way Lounge | Uhland­str. 26 | 76135 Karlsruhe

LIVE! . music, life et cetera . 

Talk mit Prof. Dr. Heinz–Ulrich Nen­nen: “Von Frei­heits­lie­be und der Sehn­sucht nach Kontrolle” .

Ull­rich Eiden­mül­ler im Talk mit Prof. Dr. Heinz–Ulrich Nennen

Was hat das Corona–Virus mit uns gemacht? Wie weit hat es die Welt ver­än­dert und wird sie noch ver­än­dern? Wel­che Tie­fen hat das Virus in der Gesell­schaft bloß­ge­legt? — Könn­te es zu sol­chen Fra­gen am Beginn der „Rück­kehr der Frei­heit“ einen kom­pe­ten­te­ren Gesprächs­part­ner geben als ein Pro­fes­sor für Phi­lo­so­phie an der Fakul­tät für Gei­stes- und Sozi­al­wis­sen­schaf­ten am Karls­ru­her Insti­tut für Tech­no­lo­gie (KIT)?

Prof. Dr. Heinz-Ulrich Nen­nen Gesprächs­part­ner von Ull­rich Eiden­mül­ler beim tra­di­tio­nel­len Talk in der Heming­way Lounge sein. Der Phi­lo­soph, der sei­ne Zeitgeist–Analysen seit Jah­ren aus sei­nem Wohn­mo­bil am Kanal in Mün­ster schreibt, ana­ly­siert die Aus­wir­kun­gen auf das täg­li­che Leben, den „Ver­lust an Nähe, den wir zu ver­kraf­ten haben, die Unkul­tur der Ver­un­glimp­fung Anders­den­ken­der, das frü­he Schlie­ßen der gesell­schaft­li­chen Dis­kur­se schon im März 2020“.

Freu­en Sie sich auf ein sprit­zi­ges und tief­ge­hen­des Gespräch in der wie­der­eröff­ne­ten Lounge, unter­malt wie immer von der Musik, die Prof. Dr. Heinz–Ulrich Nen­nen mitbringt.


Grundrechte in der Corona-Krise

Das Schweigen der Richter

Von der Mond­lan­dung bis zum Lockdown

Wer die Mond­lan­dung am Fern­se­her live mit­er­lebt hat, hat viel­leicht auch die­ses Erweckungs­er­leb­nis. Wenn so etwas mög­lich war, dann schien eigent­lich alles mach­bar. Dann kam es 1972 mit den Stu­di­en des Club of Rome zu einer Fun­da­men­tal­kri­se aller die­ser Hoff­nun­gen. — Auch das Grund­ge­setz hat­te immer etwas von die­ser Mond­lan­dung, es war und ist eine über­zeit­li­che Lei­stung mit Ewig­keits­cha­rak­ter. Die­ses Sicher­heits­ge­fühl hat sich gehal­ten, wohl weil die Per­for­mance stets stim­mig schien, wenn >Karls­ru­he< sprach.

Leben oder Frei­heit – Ist die Coro­na-Poli­tik mit dem Grund­ge­setz ver­ein­bar? — SWR2-Forum,

Tho­mas Ihm dis­ku­tiert mit

Gigi Dep­pe, SWR-Rechts­exper­tin,
Prof. Dr. Chri­sti­an Kirch­berg, Rechts­an­walt
Prof. Dr. Heinz-Ulrich Nen­nen, Phi­lo­soph

Das hat­te etwas von Del­phi, wo die Prie­ster in ihren Sit­zun­gen dar­über berie­ten, was Apol­lo als Herr des Hau­ses wohl gesagt haben wür­de. Aller­dings ist ein Ora­kel wie das von Del­phi auch nur ein Unter­neh­men mit dem Bestre­ben, mög­lichst immer wie­der kon­sul­tiert zu wer­den. Und 1000 Jah­re kamen Men­schen und Staats­ver­tre­ter aus dem gan­zen Mit­tel­meer­raum mit höchst ent­schei­den­den Fra­gen, es kann also kein Hokus­po­kus gewe­sen sein.

Wenn die Rich­ter in den roten Roben zusam­men­tra­gen, dann hat­te das etwas von die­ser Aura: Immer wenn bewe­gen­de Urtei­le anstan­den, fand sich mit­un­ter auch eine Spur jener Weis­heit, wie sie nun ein­mal einer letz­ten Instanz anste­hen. — Auch das ist kein Hokus­po­kus, erfor­der­lich ist gutes Hand­werk, hohe Intel­li­genz, Dis­kurs­ver­mö­gen und vor allem eines, der gemein­sa­me Wil­le im Kol­le­gi­um, her­aus­zu­brin­gen, was wohl die Stim­me der Ver­nunft gesagt haben würde.

 

(Mein Bei­trag beginnt ab: 23:30)

Tie­fen und Untie­fen der Corona-Krise
Online-Dis­kus­si­on vom 9. Febru­ar 2021. Einf. u. Mod.: Ull­rich Eiden­mül­ler,

1. Vor­sit­zen­der des För­der­ver­eins FORUM RECHT e. V. 
Refe­ren­ten:
Prof. Dr. Chri­sti­an Kirch­berg (* 1947), Rechts­an­walt in Karls­ru­he und Vor­sit­zen­der des Ver­fas­sungs­rechts­aus­schus­ses der Bundesrechtsanwaltskammer. 

Prof. Dr. Heinz-Ulrich Nen­nen (* 1955), Pro­fes­sor für Phi­lo­so­phie am Karls­ru­her Insti­tut für Tech­no­lo­gie (KIT). 

Black­out mit Notstromdiesel

Wer am 31. Janu­ar 2008 gegen 17:35 Uhr per Stra­ßen­bahn die Innen­stadt von Karls­ru­he auf dem Weg zum Haupt­bahn­hof pas­sie­ren woll­te, konn­te erle­ben, wie ein Strom­aus­fall sich vor Ort dar­stellt: Das Licht ging aus, die Bahn hielt mit­ten auf der Strecke, drau­ßen war nichts mehr zu sehen. Spär­li­ches Licht flacker­te auf, die Umge­bung wirk­te gespen­stisch. Nur sche­men­haft war erkenn­bar, wie Per­so­nal an den Türen der Geschäf­te sich postierte.

Carl Spitzweg: Das Auge des Gesetzes (Justitia) (1857).

Carl Spitz­weg: Das Auge des Geset­zes (Justi­tia) (1857).

Ich ent­schloß mich, die Not­ent­rie­ge­lung der Stra­ßen­bahn­tür zu betä­ti­gen, aus­zu­stei­gen und ein Taxi zu neh­men, um die Fahrt zum Bahn­hof wei­ter fort­zu­set­zen. Die Impres­sio­nen auf die­ser Taxi­fahrt waren beein­druckend und lehr­reich: Der Weg führ­te an der Badi­schen Lan­des­bank vor­bei. Sie war beleuch­tet, die Not­strom­ver­sor­gung war also ange­sprun­gen. Dann fiel der näch­ste Blick auf das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt. Das Gebäu­de war hell erleuch­tet, so, als wenn nichts wäre.

Der­weil lag die Uni­ver­si­tät Karls­ru­he im Dunk­len und nur das Rechen­zen­trum hat­te spär­li­ches Licht. Ein ein­zi­ger Hotel­flur war noch beleuch­tet. — An einem Kran­ken­haus führ­te der Weg nicht vor­bei. Dabei ist es wesent­lich, daß gera­de auch dort die stö­rungs­freie Strom­ver­sor­gung gewähr­lei­stet sein muß. Auch der Haupt­bahn­hof war hell erleuch­tet, denn die Deut­sche Bun­des­bahn ver­fügt über ein eige­nes Netz und eige­ne Strom­ver­sor­gung. Man hat­te nicht ein­mal etwas bemerkt von der Störung.

Es ist wich­tig, sich vor Augen zu füh­ren, wie fra­gil unse­re sozio­tech­ni­schen Wel­ten eigent­lich sind. Es braucht nur klei­ne Unbe­dacht­sam­kei­ten, die zum Super­gau füh­ren kön­nen. – Ein war­nen­des Bei­spiel dazu sind die nicht über­flu­tungs­si­cher instal­lier­ten Not­strom­ag­gre­ga­te der Kern­kraft­werks­blöcke 1–3 von Fuku­shi­ma I.

Mul­ti­ples Systemversagen

Wir erwar­ten von unse­rer Tech­nik, daß Not­fall­sy­ste­me auto­ma­tisch hoch­fah­ren, das wird regel­mä­ßig geprobt — in der Tech­nik. Dabei soll­ten wir die­sel­ben Anfor­de­run­gen auch an die Sozia­len Syste­me stel­len. Gera­de in Kri­sen sind wir dar­auf ange­wie­sen, daß schlicht und ergrei­fend längst Vor­keh­run­gen getrof­fen wor­den sind.

Immer wie­der wur­de die Unver­brüch­lich­keit des Grund­ge­set­zes beschwo­ren. Plan­spie­le und Sze­na­ri­en für Aus­nah­me­zu­stän­de wären bes­ser gewe­sen als Sonn­tags­re­den. Tat­säch­lich haben wir es mit einem mul­ti­plen System­ver­sa­gen zu tun. — Das Gleich­ge­wicht der Kräf­te ist in der Coro­na-Kri­se von Anfang an ins Ungleich­ge­wicht gera­ten und es hat >sich< auch nicht wie­der ein­ge­pen­delt. Was das bedeu­tet, läßt sich an einem Plat­ten­spie­ler erläu­tern, wenn auf der einen Sei­te der Ton­arm, also die Exe­ku­ti­ve und auf der ande­ren Sei­te das Gegen­ge­wicht, also die Judi­ka­ti­ve und vor allem auch die Legis­la­ti­ve für den rich­ti­gen Aus­gleich sorgen.

Am 14. Mai 2020 hat das ober­ste Gericht zwei Ver­fas­sungs­be­schwer­den um Coro­na und Grund­rech­te nicht zur Ent­schei­dung ange­nom­men. Dabei boten gera­de die­se bei­den, fast muster­gül­ti­gen Ver­fas­sungs­kla­gen die Gele­gen­heit für die Ver­fas­sungs­rich­ter, sich gene­rell in Sachen Coro­na zu äußern. Das hät­te dann wie­der­um der Poli­tik sehr viel mehr Ori­en­tie­rung gegeben.

Durch Nicht­ein­las­sung haben die Karls­ru­her Rich­ter jedoch selbst das Gleich­ge­wicht der Kräf­te zwi­schen Legis­la­ti­ve, Judi­ka­ti­ve, Exe­ku­ti­ve und auch zwi­schen Bund und Län­dern aus dem Gleich­ge­wicht und außer Kon­trol­le gebracht. — Hät­ten die Rich­ter sich über­wun­den, den Mut und die Weit­sicht gefun­den, im lau­fen­den Pro­zeß der Coro­na-Kri­se das Spek­trum des ver­fas­sungs­recht­lich Gebo­te­nen zu skiz­zie­ren, sie hät­ten die Poli­tik davor bewahrt, zum Opfer der eige­nen Angst­po­li­tik zu werden.

Schön­wet­ter­de­mo­kra­tie?

Das Par­la­ment als Ort öffent­li­cher Mei­nungs­bil­dung wur­de kur­zer­hand ersetzt durch eine ver­fas­sungs­recht­lich gar nicht vor­ge­se­he­ne Mini­ster­prä­si­den­ten-Kon­fe­renz unter Lei­tung der Bun­des­kanz­le­rin, in der man seit einem Jahr alle ent­schei­den­den Erwä­gun­gen unter Aus­schluß der Öffent­lich­keit vor­nimmt. — Dabei wur­de immer wie­der der Föde­ra­lis­mus schlecht gere­det, der aller­dings ein unver­füg­ba­res Gebot der Ver­fas­sung dar­stellt. Am Bei­spiel von Frank­reich läßt sich zei­gen, was es bedeu­tet, wenn kei­ne effek­ti­ven kom­mu­na­len Struk­tu­ren vor Ort vor­han­den sind.

Auch die immer wie­der auf­ge­brach­te For­de­rung nach Gleich­be­hand­lung, ohne Rück­sicht auf die vor Ort tat­säch­lich vor­lie­gen­den Ver­hält­nis­se, ist stets unwi­der­spro­chen erho­ben wor­den. Dage­gen kam nur noch durch die Län­der­ho­heit über­haupt noch so etwas wie eine Pflicht zur Ver­hand­lung ins Spiel. Inso­fern wur­de das Land durch den Föde­ra­lis­mus vor einem radi­ka­len Zen­tra­lis­mus mit noch mehr Kol­la­te­ral­schä­den bewahrt.

Alle die­se Vor­keh­run­gen der Gewal­ten­tei­lung sind vor dem Hin­ter­grund der Erfah­run­gen mit der Wei­ma­rer Repu­blik und der Mög­lich­keit einer >Gleich­schal­tung< getrof­fen wor­den. Aus guten Grün­den wur­de ein durch­dach­tes Kon­zept von Checks and Balan­ces mit dem Grund­ge­setz eta­bliert. Alle die­se ver­brief­ten Siche­run­gen durch das syste­ma­ti­sche Aus­ba­lan­cie­ren der Gewal­ten gal­ten bis­lang als ver­trau­ens­wür­dig, ver­läß­lich, ja eigent­lich als robust und gera­de­zu unver­wüst­lich. Dabei stell­te sich im Zuge derCoro­na-Kri­se her­aus, daß viel davon offen­bar nur >gefühl­teSicher­heit< war.

Die Ver­trau­ens­wür­dig­keit des Grund­ge­set­zes und sei­ner Orga­ne wur­de in Sonn­tags­re­den immer wie­der gefei­ert. Als es aber zum Schwur kam, da schwie­gen die hohen Rich­ter. Das Mobilé der Gewal­ten kam aus dem Gleich­ge­wicht und ver­hak­te sich end­gül­tig. Ver­hält­nis­se kamen auf, die nicht hat­ten mög­lich sein sol­len, auch und gera­de in einer Kri­se nicht. — Für den Satz >Not kennt kein Gebot< gibt es nicht einen ein­zi­gen denk­ba­ren Anwen­dungs­fall, weil eine Ver­fas­sung genau dann ver­läß­lich sein muß, wenn es dar­auf ankommt. Wir leben nicht in einer Schön­wet­ter­de­mo­kra­tie. Ganz offen­bar fehlt aller­dings ein fun­da­men­ta­ler Dis­kurs über Not­stand und Grund­ge­setz. Kevin allein zu Haus

Nun war die Poli­tik ganz >allein zu Hau­se<. Kei­ne ande­ren Gewal­ten, kei­ne Lob­bys und auch kei­ne Kri­ti­ker moch­ten sich noch zu Wort mel­den, denn vie­le von ihnen waren bereits exkom­mu­ni­ziert. In den vie­len Talk­shows sah man immer wie­der die Anspan­nung in den Gesich­tern, bloß nicht ein womög­lich ver­rä­te­ri­sches Wort zu benut­zen, das unmit­tel­bar zur Exkom­mu­ni­ka­ti­on geführt hätte.

Die­ser Zustand ist eine sozio-kul­tu­rel­le Kata­stro­phe, denn die­se Kon­stel­la­ti­on ent­spricht genau dem, wovor der Sozio­lo­ge Niklas Luh­mann immer wie­der gewarnt hat: Angst­kom­mu­ni­ka­ti­on und Ent­dif­fe­ren­zie­rung. Das bedeu­tet in Ana­lo­gie nichts gerin­ge­res als ein mul­ti­ples System­ver­sa­gen. Es ist ein Rück­fall in den Abso­lu­tis­mus, wenn die Gesell­schaft in künst­li­ches Koma ver­setzt wird. — Die Poli­tik ist völ­lig über­for­dert, sie kann nicht lei­sten, was sie sich da auf­bür­den läßt. Daher wer­den die Maß­nah­men immer radi­ka­ler und immer end­lo­ser.

Das Schwei­gen der Richter

Gewal­ten­tei­lung, Föde­ra­lis­mus, Mei­nungs­ver­schie­den­heit, Dis­kur­se, der Anspruch auf Selbst­ver­ant­wor­tung und Mün­dig­keit, das alles sind kei­ne Stö­run­gen, gera­de in einer Kri­se nicht. Aber vie­len wur­de weis­ge­macht, daß dem so wäre. Man­che gaben dem nach, ande­re blie­ben beim Zwei­fel und durch die Gesell­schaft ging ein Riß, bei dem sich die unter­schied­li­chen Ansich­ten nicht mehr mit­ein­an­der ins Gespräch brin­gen lie­ßen. — Dabei ist gera­de die Viel­falt der Hin­sich­ten die alles ent­schei­den­de Bedin­gung für die Mög­lich­keit einer umsich­ti­gen Poli­tik und einer zeit­ge­nös­si­schen Kul­tur, die dem Unter­ta­nen­geist, Fremd­be­stim­mung und der Bevor­mun­dung end­gül­tig Valet sagen sollte. 

Die Corona–Krise bie­tet auch eine Chan­ce, den Unter­ta­nen­geist in Deutsch­land end­lich zu über­win­den, den auto­ri­tä­ren Cha­rak­ter und vor allem das mis­an­thro­pi­sche Men­schen­bild. War­um über­tra­gen wir nicht den Geist der Reform­päd­ago­gik auch auf ein neu­es Ver­ständ­nis einer zeit­ge­mä­ßen Poli­tik? In Psy­cho­lo­gie und Päd­ago­gik wird spä­te­stens seit den 70er Jah­ren nicht mehr mit Bevor­mun­dung, son­dern mit Ein­ver­neh­men agiert.

Wir müs­sen unbe­dingt unter­schei­den zwi­schen Staat, Gesell­schaft und Gemein­schaft. Wer das alles zusam­men­bringt, führt zumeist nichts Gutes im Schil­de. – Ein Staat ist kei­ne Gemein­schaft, auch eine Gesell­schaft ist er nicht. Unge­hin­dert ver­geht sich der Staat nicht sel­ten an der Gesell­schaft, denn Staat und Gesell­schaft zie­hen nicht unbe­dingt an einem Strang. Daher ist die Ver­fas­sung so ent­schei­dend, weil sie erst die Rah­men­be­din­gun­gen schafft und sicher­stellt, daß alle die­se Gewal­ten getrenn­ter Wege gehen müs­sen. Sie sol­len nicht eins sein, sie sol­len und müs­sen mit­ein­an­der rin­gen: “Audi­ta­tur et alte­ra pars” — Man höre auch die ande­re Sei­te. Das fin­det wie­der­um im Art. 103 Abs. 1 des Grund­ge­set­zes sei­ne Ent­spre­chung: Vor Gericht hat jeder­mann Anspruch auf recht­li­ches Gehör.”

Die Prü­fung der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit obliegt den Ver­fas­sungs- und Ver­wal­tungs­ge­rich­ten. Seit Beginn der Coro­na-Kri­se wur­de erwar­tet, daß enor­me Unver­hält­nis­mä­ßig­kei­ten kon­sta­tiert wür­den. Das war aber nicht der Fall. Auch war es nicht der Fall, daß klä­ren­de Wor­te durch ober­ste Rich­ter gespro­chen wor­den wären. — Ein nicht unbe­trächt­li­cher Anteil an der Pro­test­kul­tur läßt sich auch auf das Schwei­gen der Rich­ter zurück­füh­ren und die Unsi­cher­heit, in der die Gesell­schaft sich selbst über­las­sen wurde.

Die Corona–Krise ist ein umfas­sen­der, mehr als nur poli­ti­scher, son­dern viel­mehr sozio­kul­tu­rel­ler Kon­flikt von höch­ster Bri­sanz. Über Wochen und Mona­te wur­den grund­sätz­li­che Urtei­le und Ein­las­sun­gen des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts förm­lich gewar­tet, aber nichts geschah. — Es mutet an, als hät­ten die Rich­ter in den roten Roben, wie wei­land der römi­sche Stadt­hal­ter Pon­ti­us Pila­tus, sich eine Schüs­sel mit Was­ser rei­chen las­sen, um die Hän­de in Unschuld zu waschen.


Technikethik

Kol­lo­qui­um 

Tech­nik­ethik

Tech­ni­sche Ent­wick­lun­gen kon­tro­vers reflektieren

SS 2021 | don­ners­tags | 14:00–15:30 | Online
Beginn: 22 April 2021 | Ende: 22. Juli 2021

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Von Ver­ant­wor­tung ist immer wie­der die Rede. Ja, sie ist vakant und der Lauf der Welt ist alles ande­re als ver­trau­ens­er­weckend. Der gute Wil­le allein genügt nicht. Zu unter­schei­den sind min­de­stens das Sub­jekt der Ver­ant­wor­tung, der Ver­ant­wor­tungs­be­reich und die Ver­ant­wor­tungs­in­stanz, (ehe­dem Gott und jetzt?).

Es gilt näher hin­zu­se­hen, wenn wir Fra­gen der Ver­ant­wor­tung ange­hen wol­len, denn der Begriff ist mehr­di­men­sio­nal. Der Karls­ru­her Tech­nik­phi­lo­soph Gün­ter Ropohl hat das Gan­ze auf eine For­mel mit sie­ben Varia­blen gebracht: Wer ver­ant­wor­tet was, wofür, wes­we­gen, wovor, wann, wie? Wir müs­sen doch nicht alles machen, was wir kön­nen. Wie weit geht ihre (per­sön­li­che) Ver­ant­wor­tung wirklich?

Die­ses Kol­lo­qui­um soll Fra­gen der Tech­nik­ethik prak­tisch erfahr­bar machen. Das wird anhand von Fall­stu­di­en aus ihren eige­nen zukünf­ti­gen Berufs­fel­dern gesche­hen, die sich aus unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven dis­ku­tie­ren las­sen. Dabei kommt es weni­ger auf das Ergeb­nis an, son­dern auf die Qua­li­tät und den Aus­tausch der vor­ge­brach­ten Argumente.

Betrei­ben wir also Tech­nik­ethik ganz kon­kret. Neh­men wir uns rea­le Situa­tio­nen vor: sei­en es der Abgas­skan­dal, Stel­lung­nah­men zum Ein­satz von Gen­ma­ni­pu­la­ti­on, der Ein­sturz der Brücke in Genua, Unfäl­le im Rah­men von Fahr­ten mit auto­no­men Pkw — oder was immer Sie umtreibt. Tun wir so, als wären wir unmit­tel­bar dabei und hät­ten etwas zu sagen. Insze­nie­ren wir die Kon­tro­ver­sen, in denen Tech­nik­li­ni­en gestal­tet wer­den, um sie am eige­nen Leib zu
erfah­ren. Die Ver­an­stal­tung soll Ihnen dazu die­nen, Erfah­run­gen zu machen, die spä­ter womög­lich auf Sie zukom­men. Es ist dann fast wie ein Pri­vi­leg, sich spä­ter dar­an zurück­er­in­nern zu kön­nen, so etwas Ähn­li­ches schon ein­mal durch­ge­spielt zu haben.

Nein, wir müs­sen es nicht.
Aber?
Aber wir wer­den es machen.
Und wes­halb?
Weil wir nicht ertra­gen, wenn der klein­ste Zwei­fel bleibt,
ob wir es wirk­lich können.

(Hans Blu­men­berg)

Dirck van Babu­ren: Pro­me­theus wird von Vul­kan ange­ket­tet (1623). — Quel­le: Public Domain via Wiki­me­dia. — Pro­me­theus, der Gott des Fort­schritts, wird auf Geheiß des Zeus, unter Auf­sicht des Göt­ter­bo­ten Her­mes, vom Gott der Tech­nik Vul­kan an einen Fel­sen im Kau­ka­sus geschmie­det. Sein Ver­ge­hen: Er hat aus Men­schen­lie­be die Tech­nik zu den Men­schen gebracht. Die­se soll­ten dar­auf den Fort­schritt eini­ge Jahr­tau­sen­de nicht mehr zu Gesicht bekommen.

Die Zei­ten sind vor­bei, als Inge­nieu­re und Inge­nieu­rin­nen fast jede wei­te­re Ver­ant­wor­tung noch zurück­wie­sen mit den Wor­ten, sie wür­den die Tech­nik nur her­stel­len, sei­en aber nicht ver­ant­wort­lich dafür, was dar­aus wür­de. — Aber machen wir uns nichts vor, Ver­su­che, den tech­ni­schen Fort­schritt auf ›bes­se­re‹ Bah­nen zu len­ken, gab es vie­le. Unver­ges­sen ist das Wort von Ulrich Beck: Die Ethik spielt im Modell der ver­selb­stän­dig­ten Wis­sen­schaf­ten die Rol­le einer Fahr­rad­brem­se am Inter­con­ti­nen­tal Flugzeug. 

For­de­run­gen nach Ethik, Ver­ant­wor­tung, Tech­nik­fol­gen­ab­schät­zung, nach­hal­ti­gem Wachs­tum und Kil­ma­schutz wer­den tag­täg­lich erho­ben und sind nicht unpro­ble­ma­tisch, denn es ist auch Über­for­de­rung im Spiel. Wofür sind wir als Ein­zel­ne ver­ant­wort­lich und wie soll denn die Gesamt­ver­ant­wor­tung wahr­ge­nom­men wer­den? All­mäh­lich wird es Zeit. Wer gibt die Tech­nik­zie­le vor oder gene­rie­ren sie sich selbst? 

Was vie­le Ver­schwö­rungs­theo­rien noch unter­stel­len: Es gibt sie nicht, die Schalt­zen­tra­len der Macht, in denen die Zie­le des Fort­schritts vor­ge­ge­ben, der Kurs ein­ge­stellt und die Ent­wick­lun­gen koor­di­niert wer­den. Zwei­fels­oh­ne spie­len Tech­nik und Wirt­schaft eine gro­ße Rol­le, aber auch Poli­tik und Kultur.

Der blaue Pla­net ist zur Anthro­po­sphä­re gewor­den. Inzwi­schen wur­de bereits ein neu­es Erd­zeit­al­ter aus­ge­ru­fen, das Anthro­po­zän. Die Zivi­li­sa­ti­on ist nun­mehr alles ent­schei­dend für das Schick­sal des gan­zen Pla­ne­ten und die Zukunft der Mensch­heit. Die Erde ist zum Raum­schiff gewor­den. Wir rasen durch einen lebens­feind­li­chen Raum, hin­ter uns eine erst kur­ze Epi­so­de der Zivi­li­sa­ti­on und vor uns eine Zukunft, die mit sich selbst auf Kol­li­si­ons­kurs geht.

Wenn es sie denn gäbe, die Kommando–Brücke, in der die Navi­ga­ti­on vor­ge­nom­men wird, wenn wir dort­hin­ein gelan­gen könn­ten, es wäre der Schock unse­res Lebens. Denn die Pilo­ten­kan­zel ist leer, alles steht auf Auto­pi­lot und nie­mand wäre in der Lage, den Flug ›von Hand‹ zu steu­ern. Dabei ist das Gan­ze kei­nes­wegs nur eine Fra­ge der Tech­nik, son­dern auch eine von Poli­tik, Wirt­schaft, Recht, Kul­tur, Wis­sen­schaft und vie­lem ande­ren mehr.

Jan Cos­siers: Car­ry­ing Fire (ca. 1630). Pro­me­theus stiehlt das Feu­er aus der Werk­statt des Vul­kan. Es ist nicht das Herd­feu­er, das hat­ten die Men­schen schon sehr lang. Es ist das Metall­ur­gen­feu­er, womit die Bron­ze­zeit begann und
dann auch die Zivi­li­sa­ti­on. — Quel­le: Public Domain via Wikimedia.

Daher genügt es längst nicht mehr, ein­fach nur ›gute‹ Tech­nik zu machen, Pro­ble­me prag­ma­tisch zu lösen, im Sin­ne des ›sta­te of the art‹ zu ent­wickeln, Nor­men und Vor­schrif­ten ein­zu­hal­ten usw. usf. — Dar­über hin­aus stellt sich vor allem auch die Fra­ge, wie weit denn die per­sön­li­che Ver­ant­wor­tung rei­chen soll. Es ist nicht allein die Tech­nik, die den Fort­schritt bestimmt, es sind vie­le ver­schie­de­nen Fak­to­ren, die eine Rol­le spie­len. — Die Rol­len im Mythos vom Pro­me­theus, der den tech­ni­schen Fort­schritt zur Dar­stel­lung bringt, las­sen die Zusam­men­hän­ge erahnen. 

Da ist der Men­schen­freund Pro­me­theus, der mit besten Absich­ten die Ent­wick­lung anfacht, aber eigent­lich nicht sehr glück­lich agiert. Da ist Vul­kan, der Tech­ni­ker, der alles tut, was ihm auf­ge­tra­gen wird. Er murrt zwar, als er den geschätz­ten Kol­le­gen anket­ten soll, aber er tut es. Da ist Zeus, der ein ambi­va­len­tes Ver­hält­nis zur Mensch­heit hat und daher hin und her­ge­ris­sen ist über das Prometheus–Projekt. Da ist Athe­ne, die Göt­tin der Weis­heit, die den neu­en Zivi­li­sa­ti­ons­men­schen eine See­le ein­haucht. Sie spen­det auch die Wis­sen­schaft und die Ver­nunft. Außer­dem ist da noch Pan­do­ra, die mit allen Gaben Beschenk­te, die die Gaben der abdan­ken­den Göt­ter zu den Men­schen bringt, aber eben auch die damit ver­bun­de­nen Übel. Und da ist noch Epi­me­theus, ein Melan­cho­li­ker, der sich in Pan­do­ra ver­liebt. — Das dürf­te genü­gen, die ver­schie­de­nen Sei­ten und Inter­es­sen zu cha­rak­te­ri­sie­ren, die dafür sor­gen, daß der Fort­schritt eben einen bestimm­ten Gang nimmt.

Als der Mün­che­ner Sozio­lo­gie Ulrich Beck im Jah­re 1958 den Ein­tritt in die Risi­ko­ge­sell­schaft dia­gno­sti­zier­te, sah er den technisch–ökonomischen Fort­schritt über­la­gert von immer grö­ße­ren, unge­plan­ten Neben­fol­gen, grenz­über­schrei­ten­den Umwelt­pro­ble­men und glo­ba­len Fol­gen Es gibt inzwi­schen einen Grad an Kom­ple­xi­tät, der sich nicht mehr steu­ern oder gar beherr­schen läßt. Eigent­lich müß­ten alle unse­re Inno­va­tio­nen unter­halb die­ser Schwel­le blei­ben, aber das Gegen­teil ist der Fall. Also wofür sind Tech­ni­ker, Inge­nieu­re und Inge­nieu­rin­nen wirk­lich ver­ant­wort­lich? Wel­cher Teil der Ver­ant­wor­tung fällt ande­ren zu?

Har­ry Bates: Akt (1891). Auf Geheiß des Zeus wur­de von Vul­kan eine Frau erschaf­fen, mit allen Gaben der Göt­ter aus­ge­stat­tet und von Her­mes zu den Men­schen gebracht. Sie brach­te jedoch nicht nur die Fähig­kei­ten der Göt­ter, son­dern auch die damit ver­bun­de­nen Übel auf die Erde. — Quel­le: Public Domain via Wikimedia.

Es ist kei­ne unpro­ble­ma­ti­sche Ent­wick­lung, daß in den letz­ten Jahr­zehn­ten immer mehr Ver­ant­wor­tung auf Ein­zel­ne über­tra­gen wur­de, wäh­rend die Gesamt­ver­ant­wor­tung sich immer wei­ter ver­flüch­tigt. Wer ver­ant­wort­lich sein soll, muß gestal­ten, muß auch anders ent­schei­den kön­nen, erst dann kann Ver­ant­wor­tung zuge­schrie­ben wer­den. — Inso­fern ist der Anspruch auf Ethik und Moral das eine, wie damit ganz prak­tisch umge­gan­gen wer­den kann, ist das ande­re. Sich ver­ant­wort­lich zu füh­len für Ver­hält­nis­se, die nicht in der eige­nen Macht ste­hen, ist daher nicht unpro­ble­ma­tisch. Wer Ver­ant­wor­tung über­nimmt, muß ›Nein sagen‹ kön­nen oder ›So nicht!‹.

In die­sem Semi­nar sol­len sol­che Kon­flik­te in Wert­fra­gen, Ziel­kon­flik­ten und der mora­li­schen Inte­gri­tät durch­ge­spielt wer­den. Das geschieht anhand von Bei­spie­len ein­schlä­gi­ger Dilemma–Situationen. Mit­un­ter sind die Rah­men­be­din­gun­gen schon pro­ble­ma­tisch, etwa wenn es gilt, unter den Bedin­gun­gen schlech­ter Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­hält­nis­se und aus Sor­ge um die eige­ne Repu­ta­ti­on fach­lich kom­pe­tent und mora­lisch inte­ger zu han­deln. Dazu bedarf es eini­ger Erfah­run­gen, die genau­so wich­tig sind wie das gan­ze tech­ni­sche Know–how.

Dazu hat der Kon­stan­zer Phi­lo­soph und Wis­sen­schafts­theo­re­ti­ker Jür­gen Mit­tel­straß eine hilf­rei­che Unter­schei­dung geprägt: Zum tech­ni­schen Ver­fü­gungs­wis­sen gehört auch ein eben­so wich­ti­ges Ori­en­tie­rungs­wis­sen. Das eine sagt uns wie, das ande­re aber wozu. — Mit­un­ter gera­ten aber das Wie und das Wozu in Wider­sprü­che. Die Tech­nik­ge­schich­te ist voll sol­cher Bei­spie­le, wo erst sehr viel spä­ter sich Neben­fol­gen mit kolos­sa­len Wir­kun­gen zei­gen, bis sie end­lich wahr­ge­nom­men und the­ma­ti­siert werden.

Und natür­lich stellt sich immer wie­der die Fra­ge, ob es nicht doch eine ›bes­se­re‹ Tech­nik gibt, eine, die von vorn­her­ein weni­ger Neben­fol­gen hat. Tech­ni­ku­to­pien sind daher eine wich­ti­ge Ori­en­tie­rungs­hil­fe, vor allem dann, wenn kri­tisch damit umge­gan­gen wird. Wesent­lich ist es, die ver­schie­de­nen Aspek­te erör­tern zu kön­nen und nicht zuletzt, ande­re zu über­zeu­gen. Dazu ist kri­ti­sches Den­ken erfor­der­lich. Daher geht es um die ethi­sche, poli­ti­sche, öko­no­mi­sche und öko­lo­gi­sche Ver­ant­wor­tung im Inge­nieur­we­sen. Erst das macht ›gute‹ Tech­nik mög­lich, ein ›gutes‹ Gewis­sen und nicht zuletzt gute Professionalität. 

Band­icoot Robot: Con­ver­ting man­ho­le to robo­ho­le (2018). — Quel­le: Public Domain via Wikimedia.

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Philosophische Ambulanz

Philosophische Ambulanz

SS 2021 | freitags | 12:00–13:30 Uhr | Raum: online

Beginn: 23. April 2021 | Ende: 23. Juli 2021

Zum Kommentar als PDF

Fer­di­nand Bart: Der Zau­ber­lehr­ling, (1882). Zeich­nung aus dem Buch Goethe’s Wer­ke, 1882. — Quel­le: Public Domain via Wikimedia

Und sie lau­fen! Naß und nässer
Wird’s im Saal und auf den Stufen.
Welch ent­setz­li­ches Gewässer!
Herr und Mei­ster! hör mich rufen! —
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister,
Werd ich nun nicht los.
»In die Ecke,
Besen! Besen!
Seid’s gewe­sen.
Denn als Geister
Ruft euch nur, zu sei­nem Zwecke,
Erst her­vor der alte Meister.

(Goe­the: Der Zauberlehrling)

In der Phi­lo­so­phi­schen Ambu­lanz kommt die Phi­lo­so­phie wie­der zurück auf den Markt­platz, wo Sokra­tes sei­ne Dis­pu­te führ­te, immer auf der Suche nach einer Phi­lo­so­phie, die es bes­ser auf­neh­men kann mit der Wirk­lich­keit. In den Dia­lo­gen und Dis­kur­sen der Phi­lo­so­phi­schen Ambu­lanz soll es dar­um gehen, in gemein­sa­men Gedan­ken­gän­gen die bes­se­ren, höhe­ren und tie­fe­ren Ein­sich­ten zu gewinnen.

Ver­ste­hen ist Erfah­rungs­sa­che, Ver­stän­di­gung ist eine Fra­ge der Übung. Oft herr­schen aber fal­sche Vor­stel­lun­gen vor: Gemein­sa­mes Ver­ste­hen ent­steht im Dia­log und in Dis­kur­sen, bei denen es nicht vor­ran­gig um Mei­nungs­äu­ße­run­gen und Stel­lung­nah­men geht. Es kommt auch nicht dar­auf an, Recht zu behal­ten, sich zu behaup­ten oder etwa ver­meint­li­che ›Geg­ner‹ mund­tot zu machen. — Gewalt ent­steht, wo Wor­te ver­sa­gen, wenn nicht gesagt und ver­stan­den wer­den kann, was einem wirk­lich am Her­zen liegt. 

Es kommt viel mehr dar­auf an, im gemein­sa­men Ver­ste­hen wei­ter­zu­kom­men, so daß sich die Dis­kur­se anrei­chern und ihre Suk­zes­si­on, also einen Fort­schritt errei­chen. Daher ist es so wich­tig, gera­de im Kon­flikt aus einem Dis­sens her­aus wie der zu neu­em Ein­ver­neh­men zu fin­den. Erst das macht uns zu mün­di­gen Zeit­ge­nos­sen, wenn wir auch über die eige­ne Stel­lung­nah­me noch frei ver­fü­gen kön­nen. — Zu Phi­lo­so­phie­ren bedeu­tet, Wider­sprü­che und Ambi­va­len­zen nicht schleu­nigst auf­zu­lö­sen, weil sie anstren­gend sind. Viel­mehr gilt es, das Den­ken selbst in der Schwe­be zu hal­ten. Der Weg ist das Ziel, gera­de auch beim Philosophieren.

Es gilt, nicht nur die übli­chen Stand­punk­te zu ver­tre­ten, son­dern neue und gänz­lich unbe­kann­te Per­spek­ti­ven zu erpro­ben. Daher ist der Posi­ti­ons­wech­sel von so emi­nen­ter Bedeu­tung. Genau das ist ›Bil­dung‹, den Stand­ort der Betrach­tung wech­seln, um eine Stel­lung­nah­me ggf. auch aus einer belie­bi­gen ande­ren Per­spek­ti­ve vor­neh­men, kom­men­tie­ren und beur­tei­len zu können.

Verstehen ist Erfahrungssache

Im Phi­lo­so­phi­schen Café kommt die Phi­lo­so­phie wie­der zurück auf den Markt­platz, wo Sokra­tes sei­ne Dis­pu­te führ­te, immer auf der Suche nach einer Phi­lo­so­phie, die es bes­ser auf­neh­men kann mit der Wirk­lich­keit. In den Dia­lo­gen und Dis­kur­sen der Phi­lo­so­phi­schen Ambu­lanz soll es dar­um gehen, in gemein­sa­men Gedan­ken­gän­gen die bes­se­ren, höhe­ren und tie­fe­ren Ein­sich­ten zu gewinnen.

Ver­ste­hen ist Erfah­rungs­sa­che, Ver­stän­di­gung ist eine Fra­ge der Übung. Oft herr­schen aber fal­sche Vor­stel­lun­gen vor: Gemein­sa­mes Ver­ste­hen ent­steht im Dia­log und in Dis­kur­sen, bei denen es um nicht vor­ran­gig um Mei­nungs­äu­ße­run­gen und Stel­lung­nah­men geht. Es kommt auch nicht dar­auf an, Recht zu behal­ten, sich zu behaup­ten oder etwa ver­meint­li­che ›Geg­ner‹ mund­tot zu machen. — Gewalt ent­steht, wo Wor­te ver­sa­gen, wenn nicht gesagt und ver­stan­den wer­den kann, was einem wirk­lich am Her­zen liegt. Es kommt viel­mehr dar­auf an, im gemein­sa­men Ver­ste­hen wei­ter­zu­kom­men, so daß sich die Dis­kur­se anrei­chern und ihre Suk­zes­si­on, also einen tat­säch­li­chen Fort­schritt im Ver­ste­hen erreichen.

Daher ist es so wich­tig, gera­de im Kon­flikt aus einem Dis­sens her­aus wie­der zu neu­em Ein­ver­neh­men zu fin­den. Erst das macht uns zu mün­di­gen Zeit­ge­nos­sen, wenn wir auch über die eige­ne Stel­lung­nah­me noch frei ver­fü­gen kön­nen. — Zu Phi­lo­so­phie­ren bedeu­tet, Wider­sprü­che und Ambi­va­len­zen nicht schleu­nigst auf­zu­lö­sen, weil sie anstren­gend sind. Viel­mehr gilt es, das Den­ken selbst in der Schwe­be zu hal­ten. Der Weg ist das Ziel, gera­de auch beim Philosophieren.

Es gilt, nicht nur die übli­chen Stand­punk­te zu ver­tre­ten, son­dern neue und gänz­lich unbe­kann­te Per­spek­ti­ven zu erpro­ben. Daher ist der Posi­ti­ons­wech­sel von so emi­nen­ter Bedeu­tung. Genau das ist ›Bil­dung‹, den Stand­ort der Betrach­tung wech­seln, um eine Stel­lung­nah­me ggf. auch aus einer belie­bi­gen ande­ren Per­spek­ti­ve vor­neh­men, kom­men­tie­ren und beur­tei­len zu können.

Auf­merk­sam­keit ist eine begrenz­te Res­sour­ce. Wir müs­sen selbst ent­schei­den, wann wir etwas auf sich beru­hen las­sen, für wel­che The­men wir offen sind, und wofür wir uns wirk­lich bren­nend inter­es­sie­ren. Die Zunah­me an Infor­ma­tio­nen ist dabei von erheb­li­cher Bedeu­tung, denn sie führt gegen­wär­tig ganz offen­bar zu Über­for­de­run­gen. Alles könn­te man wis­sen, aber jedes Wis­sen ist eigent­lich unsi­che­rer denn je.