Heinz-Ulrich Nennen | www.nennen-online.de

ZeitGeister | Philosophische Praxis

Akademie für Philosophische Psychologie

Tag: Heldenreise

Gespräche und Begegnungen

Per­sön­li­che Über­zeu­gun­gen set­zen sich zusam­men aus einer Viel­falt von Moti­ven aus den unter­schied­lich­sten Sek­to­ren, die wir oft nur zum Teil selbst über­prüft haben. Vie­les davon ist nicht selbst erdacht, son­dern nur übernommen.

Im Zwei­fels­fall, also immer dann, wenn man es wirk­lich genau wis­sen will, stellt sich die Fra­ge, wie sicher, wie ent­schei­dend, wie bela­stungs­fä­hig sind unse­re Vor­an­nah­men und Vor­stel­lun­gen wirk­lich? Das­sel­be gilt für Lebens­er­eig­nis­se, die zu ver­ste­hen natur­ge­mäß schwer fal­len kann.

Die Kunst der phi­lo­so­phi­schen Pra­xis besteht dar­in, jedes Gesamt­ur­teil zunächst wie­der auf­zu­lö­sen in die ein­zel­nen Bestand­tei­le, aus denen es zusam­men gesetzt ist. Viel­leicht ergibt sich schluß­end­lich, daß, was gedacht wur­de, schon sehr ange­mes­sen gewe­sen sein dürf­te, viel­leicht ergibt sich aber auch eine völ­lig neue Sicht der Dinge.

Es gilt, das eige­ne Urteils­ver­mö­gen noch­mals selbst zu beur­tei­len, denn Wis­sen allein genügt nicht. Es könn­te sich schließ­lich auch nur um gefühl­tes Über­zeugt­sein han­deln, also um etwas, das nur wie eine kon­se­quen­te Den­kungs­art erscheint. — Wenn etwas unbe­dingt gel­ten soll, dann muß es sich auch bewäh­ren kön­nen. Also soll­te es mög­lich sein, das eige­ne Wis­sen zu wis­sen, sich des eige­nen Bewußt­seins noch­mals bewußt zu wer­den und auch dem eige­ne Füh­len noch ein­mal nach­zu­füh­len. Alle­dem dient der Dia­log in der phi­lo­so­phi­schen Praxis.

Ent­schei­dend ist nicht das Ergeb­nis eines Gedan­ken­gangs. Viel wich­ti­ger ist es, auf wel­che Wei­se das eige­ne Den­ken zustan­de kommt. Daher ist es so wich­tig, auch das, was noch so selbst­ver­ständ­lich erscheint, zur Dis­po­si­ti­on zu stel­len, denn wenn es etwas Bewähr­tes und wirk­lich ver­läß­lich ist, dann wird es sich auch in einer Bewäh­rungs­pro­be erneut als ver­läß­lich erwei­sen. — Wir soll­ten also genau­er in Augen­schein neh­men, was wir wirk­lich wis­sen, was wir wis­sen müß­ten und was wir womög­lich gar nicht wis­sen kön­nen. So wird die Qua­li­tät aber auch die Begrenzt­heit des eige­nen Urteils­ver­mö­gens genau­er bewußt.

Phi­lo­so­phie ist inso­fern stets eine Fra­ge nach den Gren­zen des­sen, was sich sagen läßt. Die Fra­ge ist dabei immer, wie viel vom Gan­zen haben wir eigent­lich wirk­lich sicher im Blick? — Phi­lo­so­phie­ren bedeu­tet, ein fei­nes Gespür dafür zu ent­wickeln, wie weit ein­zel­ne Aus­sa­gen jeweils tra­gen, wann ein Wort sei­ne Bedeu­tung zu ver­lie­ren beginnt, wann irgend etwas an einer Aus­sa­gen nicht mehr zutref­fend sein kann…

Um zu ver­ste­hen, müs­sen wie erst ein­mal den Dia­log eröff­nen. Das gelingt am ehe­sten durch den gemein­sa­men Ver­such, sich gemein­sam anhand per­sön­li­cher Nar­ra­ti­ve tie­fe­re Ein­blicke zu eröff­nen. Die­ses Son­die­ren ver­langt einen hohen Grad an Fle­xi­bi­li­tät, man­che unse­rer ver­meint­li­chen Beweg­grün­de sind näm­lich oft nur vor­der­grün­dig. Daher ist es wich­tig, was sich eigent­lich hin­ter unse­ren Kulis­sen abspielt.

Cas­par David Fried­rich: Auf dem Seg­ler (1818f).

Um ins Ver­ste­hen zu gelan­gen, arbei­ten wir inten­siv mit Sym­bo­le und Alle­go­rien aus Mythen und Mär­chen, ins­be­son­de­re mit­hil­fe von Idea­len, wie sie die Göt­ter ver­kör­pern. Dahin­ter ver­birgt sich man­ches, was unse­rem Den­ken in abstrak­ten Begrif­fen wie­der mehr Inhalt, mehr Leben, Geist und Gefühl ver­mit­teln kann. — Phi­lo­so­phie ist weit mehr als trocke­ne Theo­rie, eis­kal­te Metho­de oder rhe­to­ri­sche Spie­gel­fech­te­rei. Phi­lo­so­phie hat eine Pra­xis, die sich selbst oft ganz anders dar­stellt, die nicht nur unter­halt­sam, son­dern auch erhel­lend und erhei­ternd sein kann. — Das Lachen ist schließ­lich ein immer wie­der­keh­ren­der Topos in der Philosophie.

Es gilt, mit der Spra­che bis zu den Gren­zen des bis­her Sag­ba­ren vor­zu­drin­gen. Dort sind die Quel­len für ein neu­es Selbst­ver­ständ­nis, für tie­fe­res Ver­ste­hen und neue Lebens­kon­zep­te, so daß sich wie­der neu­es Ver­trau­en und Selbst­ver­trau­en moti­vie­ren und fin­den läßt. Daher ist Inspi­ra­ti­on so wesent­lich. Es gilt, neue Ein­drücke, Gedan­ken und Gefüh­le zur Spra­che zu brin­gen, um neu­en Ein­drücken eben­so wie Gefüh­len mehr Raum zuzugestehen.

Phi­lo­so­phie ist nicht nur Theo­rie son­dern auch Pra­xis, geleb­te Pra­xis. Sie setzt daher eine gei­sti­ge Mobi­li­tät vor­aus, die dar­auf aus ist, stän­dig die Per­spek­ti­ve zu wech­seln, um dabei auch die eige­ne Posi­ti­on, also sich selbst zu riskieren.

Honorar

Ein erstes Vor­ge­spräch von 30 Minu­ten ist honorarfrei.

  • 60 Minu­ten 75€
  • 90 Minu­ten 100€
  • 120 Minu­ten 125€

Arrangements

Gesprä­che sind online mög­lich via 

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Persönliche Begegnungen

Tref­fen sind im Mün­ster­land möglich.

Etwa beim Mit­tag­essen im Gast­haus Stuhl­ma­cher am Prinzipalmarkt:

Beim Kaf­fee im Lux im Lan­des­mu­se­um Münster:

LUX-avatar

Beim Essen im Ristor­an­te Il DiVi­no mit Blick auf den Aase:

Oder an einem ande­ren geneh­men Ort. 

Kon­takt per Email: heinz-ulrich.nennen@t‑online.de


Worauf es wirklich ankommt.

Vortrag: Bildungshaus Batschuns, Österreich, 11.06.2021

In einer Kri­se zeigt sich, wer wir sind und wor­auf wir uns wirk­lich ver­las­sen kön­nen und wie sta­bil die Ver­hält­nis­se wirk­lich sind. Ob wir es wol­len oder nicht: Kri­sen sind Bewäh­rungs­pro­ben, dann zeigt sich, ob wir uns anpas­sen, ver­än­dern oder viel­leicht sogar über uns hin­aus­wach­sen können.

Reden stärkt, vor allem Ver­ste­hen. Angst schwächt, eben­so wie Hetz­kam­pa­gnen, das alles ver­wirrt und schmä­lert die Kräf­te. – Neue Stär­ken ent­ste­hen, sobald wir läh­men­de Äng­ste behut­sam überwinden.

Eine Kri­se kann vor­über­ge­hend sein, im psy­cho­lo­gi­schen Sin­ne sind Kri­sen jedoch nur der Anfang umfas­sen­der Wand­lungs­pro­zes­se. – In Mär­chen und Mythen macht die Kri­se den Anfang, dann folgt zunächst die Kathar­sis und dar­auf die Transformation.

Vor allem für die Päd­ago­gik zei­gen die Erfah­run­gen der letz­ten 15 Mona­te, daß die Welt von Men­schen gemacht und zu ver­ant­wor­ten ist. Auch die Men­schen­bil­der, die Unkul­tur öffent­li­cher Debat­ten, der Rück­fall in fast reli­giö­se Äng­ste, das alles gibt zu denken.

Die­se Welt, so wie sie ist, hat kei­ne Zukunft. Dabei ist die Kli­ma­fra­ge nur wie die Spit­ze eines Eis­bergs. Wich­tig wäre es, end­lich auch in der Poli­tik ein posi­ti­ves Men­schen­bild an den Tag zu legen, wie es in Päd­ago­gik und Psy­cho­lo­gie schon seit den 70er Jah­ren üblich ist. Staat, Poli­tik und Behör­den gehen aber immer noch vom Obrig­keits­staat aus, wenn sie mei­nen, mün­di­ge Men­schen vor sich selbst schüt­zen zu müssen.

Das Bild vom Guten Hir­ten und sei­ner Her­de ist obso­let, es soll­te den vie­len Auto­kra­ten über­las­sen wer­den. Der in der Coro­na-Kri­se erstark­te Staat wird blei­ben. Daher müs­sen die Gegen­ge­wich­te gestärkt wer­den, also brau­chen wir mehr Demo­kra­tie und mehr Gerichts­hö­fe, an denen sich Staat und Poli­tik recht­fer­ti­gen müssen.

Das wird aber alles nicht rei­chen, wenn man bedenkt, was eigent­lich alles inzwi­schen zur Nei­ge geht. Aller­dings war die Zivi­li­sa­ti­on, seit sie vor 12.000 Jah­ren ent­stand, immer schon eine insta­bi­le Angelegenheit.

Vor allem jene Ent­wick­lun­gen, auf die Päd­ago­gik, Psy­cho­lo­gie und Phi­lo­so­phie beson­ders Wert legen, sind über­haupt nicht mit­ge­kom­men. – Das Feh­len­de nach­zu­ho­len ist und bleibt eine Auf­ga­be, in der es vor allem sehr viel sehr pro­fes­sio­nel­le Päd­ago­gik braucht. Schließ­lich ist jeder Mensch ein­zig­ar­tig, dar­in lie­gen Hoff­nun­gen, nur nie­man­den zu verlieren.


Philosophischer Salon

Philosophischer Salon

Literaturhaus im Prinz-Max-Palais

WS 2019 | donnerstags | 18:00–20:00 Uhr

Was­si­ly Kan­din­sky: Thir­ty (1937). Musée natio­nal d’art moder­ne, Paris. — Quel­le: Public Domain via Wiki­me­dia.

Kul­tur ist ein Mit­tel, nicht ein­fach nur ver­rückt zu wer­den, ange­sichts der über­for­dern­den Kom­ple­xi­tät einer Welt, der wir als Indi­vi­du­en und auch als Gat­tung ziem­lich gleich­gül­tig sind. — Es gilt, dar­über hin­aus zu gehen und Ord­nung zu schaf­fen, also Bedeu­tun­gen. Kul­tur bie­tet Ori­en­tie­rung und Schutz, sie gewährt Erwar­tungs­si­cher­heit, basa­le Gefüh­le und die Erfah­rung, getra­gen sein von wie­der erkenn­ba­ren Struk­tu­ren, die ver­läß­lich sind.

Wir sind immer auf der Suche nach Sinn, weil sich dar­an das eige­ne Ori­en­tie­rungs­ver­mö­gen selbst wie­der ori­en­tie­ren läßt. Daher ist Ori­en­tie­rungs­ori­en­tie­rung von so gro­ße Bedeu­tung, denn Sinn ver­schafft Sicher­heit im Gei­ste, und das in einer Welt, die über­mäch­tig und eigent­lich auch unbe­herrsch­bar erscheint. 

Aber die Welt läßt sich in Geschich­ten ver­stricken, so daß wir uns wie an einem Ari­ad­ne­fa­den im Laby­rinth einer immer unüber­sicht­li­cher wer­den­den Welt ori­en­tie­ren kön­nen, obwohl wir sie als gan­ze gar nicht überschauen.

Lite­ra­tur­haus | Karls­ru­he | Prinz-Max-Palais | Karl­stra­ße 10 | Foto: Bern­hard Schmitt

Men­schen sind Ori­en­tie­rungs­wai­sen. Jedes Tier ist voll­kom­men inte­griert in den ange­stamm­ten Lebens­raum. — Man möch­te anneh­men, daß ›die‹ Natur mit dem Men­schen das Spiel eröff­net hat, wie es wohl sei, ein Wesen zu erschaf­fen, das sich selbst ori­en­tie­ren kann. Inzwi­schen ist die Welt fast voll­stän­dig umge­baut wor­den. Schon bald wer­den zwei Drit­tel der Welt­be­völ­ke­rung in Städ­ten leben.

Der Anspruch, sich in die­sen künst­li­chen Wel­ten zu ori­en­tie­ren, steigt stän­dig. Zur Ori­en­tie­rung braucht es inzwi­schen Ori­en­tie­rungs­ori­en­tie­rung. Dabei soll gera­de auch die Indi­vi­dua­li­tät zum Zuge kom­men. — Die Zei­ten sind vor­bei, in denen tra­di­tio­nel­le Rol­len muster­gül­tig gelebt wer­den muß­ten, vor allem Geschlech­ter­iden­ti­tä­ten, die kei­nen Aus­bruch, kei­ne Abwei­chung, kei­ne Spe­ren­zi­en dul­de­ten. Immer weni­ger ›Sinn‹ ist vor­ge­ge­ben, was eben bedeu­tet, sich selbst zu orientieren.

Seit alters her wer­den ein­schlä­gi­ge Ant­wor­ten auf letz­te Fra­gen immer wie­der neu von den Mythen gege­ben, die das Kunst­stück beherr­schen, Welt­ver­trau­en und Zuver­sicht zu schaf­fen. Wie das geschieht, das soll mit immer wie­der neu­en Ein­sich­ten im Phi­lo­so­phi­schen Salon zur Erfah­rung gebracht wer­den. — Men­schen sind kos­mi­sche Wai­sen, aus­ge­setzt in dem Bewußt­sein, sich selbst beden­ken zu müssen.


Philosophische Ambulanz

Philosophische Ambulanz

WS 2019 | freitags | 11:30–13:00 Uhr | Raum: 30.91–110 (OG)

Beginn: 23. Okt. 2019 | Ende: 7. Febr. 2020

Fer­di­nand Bart: Der Zau­ber­lehr­ling, (1882). Zeich­nung aus dem Buch Goethe’s Wer­ke, 1882. — Quel­le: Public Domain via Wikimedia

Und sie lau­fen! Naß und nässer
Wird’s im Saal und auf den Stufen.
Welch ent­setz­li­ches Gewässer!
Herr und Mei­ster! hör mich rufen! —
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister,
Werd ich nun nicht los.
»In die Ecke,
Besen! Besen!
Seid’s gewe­sen.
Denn als Geister
Ruft euch nur, zu sei­nem Zwecke,
Erst her­vor der alte Meister.

(Goe­the: Der Zauberlehrling)

In der Phi­lo­so­phi­schen Ambu­lanz kommt die Phi­lo­so­phie wie­der zurück auf den Marktplatz, wo Sokra­tes sei­ne Dis­pu­te führ­te, immer auf der Suche nach einer Philosophie, die es bes­ser auf­neh­men kann mit der Wirk­lich­keit. In den Dia­lo­gen und Dis­kur­sen der Phi­lo­so­phi­schen Ambu­lanz soll es dar­um gehen, in gemein­sa­men Gedan­ken­gän­gen die bes­se­ren, höhe­ren und tie­fe­ren Ein­sich­ten zu gewinnen.

Ver­ste­hen ist Erfah­rungs­sa­che, Ver­stän­di­gung ist eine Fra­ge der Übung. Oft herr­schen aber fal­sche Vor­stel­lun­gen vor: Gemein­sa­mes Ver­ste­hen ent­steht im Dia­log und in Dis­kur­sen, bei denen es nicht vor­ran­gig um Meinungsäußerungen und Stel­lung­nah­men geht. Es kommt auch nicht dar­auf an, Recht zu behal­ten, sich zu behaup­ten oder etwa ver­meint­li­che ›Geg­ner‹ mund­tot zu machen. — Gewalt ent­steht, wo Wor­te ver­sa­gen, wenn nicht gesagt und ver­stan­den wer­den kann, was einem wirk­lich am Her­zen liegt. Es kommt viel mehr dar­auf an, im gemein­sa­men Ver­ste­hen wei­ter­zu­kom­men, so daß sich die Dis­kur­se anrei­chern und ihre Suk­zes­si­on, also einen Fort­schritt errei­chen. Daher ist es so wich­tig, gera­de im Kon­flikt aus einem Dis­sens her­aus wie

der zu neu­em Ein­ver­neh­men zu fin­den. Erst das macht uns zu mün­di­gen Zeit­ge­nos­sen, wenn wir auch über die eige­ne Stel­lung­nah­me noch frei ver­fü­gen kön­nen. — Zu Phi­lo­so­phie­ren bedeu­tet, Wider­sprü­che und Ambi­va­len­zen nicht schleu­nigst auf­zu­lö­sen, weil sie anstren­gend sind. Viel­mehr gilt es, das Den­ken selbst in der Schwe­be zu hal­ten. Der Weg ist das Ziel, gera­de auch beim Philosophieren.

Es gilt, nicht nur die übli­chen Stand­punk­te zu ver­tre­ten, son­dern neue und gänz­lich unbe­kann­te Per­spek­ti­ven zu erpro­ben. Daher ist der Posi­ti­ons­wech sel von so emi­nen­ter Bedeu­tung. Genau das ist ›Bil­dung‹, den Stand­ort der Betrach­tung wech­seln, um eine Stel­lung­nah­me ggf. auch aus einer belie­bi­gen ande­ren Per­spek­ti­ve vor­neh­men, kom­men­tie­ren und beur­tei­len zu können.

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Frauenbilder im Mythos

Oberseminar: Frauenbilder im Mythos

WS 2019 | donnerstags | 11:30–13:00 Uhr | Raum 30.91–110

Beginn: 17. Oktober 2019 | Ende: 6. Febr. 2020

Man sieht, daß sie eben­bür­tig sind, schließ­lich ist sie auch sei­ne Schwe­ster. — James Bar­ry: Jupi­ter and Juno on Mount Ida (um 1790f.) — Quel­le: Public Domain via Wiki­me­dia.

Die Rol­len vie­ler Frau­en­fi­gu­ren in den klas­si­schen Mythen zei­gen weit mehr als nur die Sei­te des Opfers (Hele­na), son­dern auch eine Viel­falt weib­li­cher Macht, durch die Stel­lung im Haus als Matro­ne (Hera), durch beson­de­re Fähig­kei­ten wie Ver­nunft (Athe­ne) oder auch Zau­be­rei (Medea), nicht zuletzt aber auch durch Ver­füh­rung (Salo­me). Auch tie­fen­psy­cho­lo­gi­sche Kon­flik­te spie­len hin­ein, wenn Gefühl, Wil­le, Kör­per und Geist eben nicht mit­ein­an­der har­mo­nie­ren (Anti­go­ne) oder wenn der Zwang zur Selbst­ver­leug­nung so groß wird, daß Psy­cho­sen aus­ge­lebt wer­den müs­sen (Dio­ny­sos). Des­wei­te­ren ist die offe­ne Zukunft im Pro­zeß der Selbst­er­mäch­ti­gung des Men­schen ein dau­er­haf­tes Pro­blem (Pan­do­ra).

Die­se Ver­an­stal­tung dient der Gegen­wart und dar­in der Selbst­re­flek­ti­on vor dem Hin­ter­grund einer huma­ni­sti­schen Bil­dung, deren Reiz dar­in besteht, sich men­tal und emo­tio­nal den ganz anders­ge­ar­te­ten Ver­hält­nis­sen in der Anti­ke aus­set­zen zu kön­nen, von denen uns vie­les bis auf den heu­ti­gen Tag noch immer tief berührt. Wir soll­ten die­se alten Zei­ten nicht men­tal über­win­den wol­len, denn es wür­de bereits genü­gen, ein­fach nur zu ver­ste­hen, was Kon­ven­tio­nen mit Men­schen machen können.

Bemer­kens­wert ist die in Sze­ne gesetz­te Empa­thie, als wäre das Werk eine Reak­ti­on auf das von Franz Stuck. — Her­mann Haase–Ilsenburg: Fare­well of the Ama­zon (1902). — Quel­le: Foto von Golf in der Wiki­pe­dia. via Wiki­me­dia, Lizenz: Crea­ti­ve Com­mons, CC-BY‑3.0.

Auch der Mythos um die Ama­zo­nen ist, neue­ren For­schun­gen zufol­ge, höchst inter­es­sant in der Deu­tung des­sen, was da wirk­lich auf dem Spie­le stand. Die Ver­hält­nis­se waren längst nicht mehr so ein­ver­nehm­lich wie vor­her, als es noch sehr weni­ge Men­schen gab und noch nicht die Ambi­ti­on, dar­aus Unter­ta­nen zu machen. — Viel­leicht ist unter sol­chen Bedin­gun­gen sogar die Blut­ra­che nicht so desa­strös, wie sie spä­ter sein wird.

Da sind Prin­zes­sin­nen wie Ari­ad­ne oder Medea, die ihr Schick­sal auf­bes­sern möch­ten und end­lich her­aus wol­len aus der eige­nen, als bar­ba­risch emp­fun­de­nen Kul­tur. Daher wür­den sie für einen hoch­wohl­ge­bo­re­nen grie­chi­schen Prin­zen mit Aus­sicht auf Königs­wür­den wirk­lich alles tun, bis hin zum Hoch­ver­rat des eige­nen Lan­des, der Göt­ter und der eige­nen Fami­lie, sogar bis hin zum Brudermord.

Zwar hat auch Ari­ad­ne ›ihrem Hel­den‹ The­seus ganz ent­schei­dend gehol­fen, den Mino­tau­rus im Laby­rinth von Knos­sos zu töten und wie­der her­aus­zu­fin­den, aber The­seus setzt die Schla­fen­de, also die ihm blind­lings Ver­trau­en­de ganz ein­fach auf der Insel Naxos aus. — Ihr wird aber ein atem­be­rau­bend über­ra­schend schö­nes Schick­sal zu Teil, der Wein­gott Dio­ny­sos ver­liebt sich in die schla­fen­de Schö­ne. Ohne­hin spielt die­ser Gott eine sehr wich­ti­ge Rol­le im Zuge der Frau­en­eman­zi­pa­ti­on, weil er end­lich Mög­lich­kei­ten schafft, daß gera­de auch Frau­en ›unge­zü­gelt‹ sein kön­nen und auch sein dürfen.

Franz Stuck: Ama­zo­ne zu Pfer­de (1897). Lower Sax­o­ny Sta­te Muse­um. — Quel­le: Public Domain via Wiki­me­dia.

Da sind die Opfer gött­li­cher Avan­cen wie Daph­ne, bei der die uner­wi­der­te, ja auf­dring­li­che Lie­be durch­ge­spielt wird, oder etwa Kas­san­dra, die allein für die Aus­sicht auf eine ein­zi­ge Lie­bes­nacht schon mal im vor­hin­ein von Apol­lon mit der Seher­ga­be belohnt wor­den ist, die sich aber stand­haft ver­wei­gert, so daß auch hier wie­der­um der Gott nicht zurück­neh­men kann, was nun ein­mal ver­lie­hen wor­den ist. Dafür aber konn­te er sie sehr wohl noch emp­find­lich tref­fen, die Seher­ga­be soll­te ihr erhal­ten blei­ben, allein, es wür­de ihr nur nie­mand mehr glauben.

Es sind vie­le, wirk­lich sehr ein­drucks­vol­le Bege­ben­hei­ten, einer­seits Stan­dard­si­tua­tio­nen, wie die Los­lö­sung vom Eltern­haus, die Ent­füh­rung der Braut, ero­ti­sche Aben­teu­er, unzwei­deu­ti­ge Ange­bo­te, aber auch ihre gewalt­sa­me Über­win­dung, wonach sie dann auf die­se Wei­se zur Frau ›gemacht‹ wor­den ist, wie etwa Hera durch Zeus, der sich in Gestalt eines bib­bern­den Kuckucks in die Nähe ihres Scho­ßes begibt.

John Wil­liam Water­hou­se: Jason and Medea (1907). — Quel­le: Public Domain via Wiki­me­dia.

Dann ist es — so will es die­se Geschlechter–Dramaturgie vor­ma­li­ger Zei­ten, um die Frau gesche­hen. Sie hat nicht auf­ge­paßt, ist hin­ters Licht geführt wor­den. Es genügt, der Gelieb­ten die Ehre zu neh­men, dann wird sie nolens volens ihren Über­wäl­ti­ger hei­ra­ten müs­sen. — Mög­lich ist alle­dings auch, daß hier sehr alte Erfah­run­gen reka­pi­tu­liert wer­den, der Frau­en­raub auch unter vor­zi­vi­li­sier­ten Völ­kern. Der Hin­ter­grund dürf­te der sein, daß es eine immens hohe Müt­ter­sterb­lich­keit gege­ben haben dürfte.

Wir sind inzwi­schen mei­len­weit ent­fernt von die­sen Ver­hält­nis­sen, und nur noch weni­ge wis­sen, was eigent­lich im Ritus der ent­führ­ten Braut noch so alles mit­schwingt. Aber vie­les von alle­dem spukt noch immer in den Köp­fen und Kör­pern her­um. Daher ist es so inter­es­sant, die­se eben­so schil­lern­den wie arche­ty­pi­schen Kon­stel­la­tio­nen ganz bewußt neu auszudeuten.

Alles ist Kon­ven­ti­on, ganz beson­ders kon­ven­tio­nell sind auch die gegen­wär­ti­gen Aus­ein­an­der­set­zun­gen, in denen vie­le Akti­vi­stIn­nen noch immer davon aus­ge­hen, daß Frau­en stets Opfer sind, die Opfer von Män­nern, daß Män­ner immer Täter sind und daß daher den Frau­en immer­zu Schutz gewährt wer­den müs­se. Genau das aber bewirkt nichts anders als die Auf­recht­erhal­tung über­kom­me­ner Ver­hält­nis­se, die längst nicht mehr dem Sta­te of the art im Dis­kurs über Gen­der gerecht werden.

Aber oft hin­ter­geht gera­de die­ser Dis­kurs sei­ne eige­nen Anfor­de­run­gen. Daher ist es so inter­es­sant, vor dem Hin­ter­grund unse­rer eige­nen Gegen­wart die dra­ma­ti­schen Situa­tio­nen, in die Frau­en im Mythos gera­ten, als sol­che zu deu­ten. — Wir spie­geln uns immer­zu selbst und dar­auf kommt es an. Daher geht es auch nicht ums Urtei­len, schon gar nicht ums Ver­ur­tei­len, son­dern ein­fach nur und immer wie­der ums Verstehen.

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Die Urbanisierung der Seele

Die Urbanisierung der Seele. 

Über Zivilisation und Wildnis

Das Ewig-Weib­li­che als Motiv aller Moti­ve ist weit weni­ger bio­lo­gi­scher Natur, als gemein­hin ange­nom­men wird, denn gera­de die Geschlech­ter­rol­len sind eine Fol­ge der Zivi­li­sa­ti­on. Zuvor waren die Ver­hält­nis­se der Geschlech­ter stets anders arrangiert.

Heinz-Ulrich Nennen: Die Urbanisierung der Seele.

Heinz-Ulrich Nen­nen: Die Urba­ni­sie­rung der See­le. Über Zivi­li­sa­ti­on und Wild­nis; (Zeit­Gei­ster 2). tre­di­ti­on, Ham­burg. 312 S. – Paper­back 18,99 €, ISBN: 978–3‑7482–1319‑2. Hard­co­ver 28,99 €, ISBN: 978–3‑7482–1320‑8. Erschei­nungs­da­tum: 07.03.2019

Wild­beu­ter sind nicht sess­haft, daher wäre es unsin­nig, Besitz­tü­mer anzu­häu­fen und ver­er­ben zu wol­len. Inso­fern ist auch nicht das Haben, son­dern das Sein ent­schei­dend, wenn und wo es um Aner­ken­nung geht. – Unter den Bedin­gun­gen der Zivi­li­sa­ti­on geht es jedoch um Besitz und Sta­tus, vor allem in Bezug auf Frau­en, was sich anhand von Alle­go­rien über Weib­lich­keit demon­trie­ren läßt. Pan­do­ra steht sym­bo­lisch für die Ver­lockun­gen, Fol­gen und Neben­fol­gen im Pro­zess der Zivi­li­sa­ti­on. Aphro­di­te ver­kör­pert als Göt­tin der Lie­be den Ver­drän­gungs-Wett­be­werb unter Frau­en und die Ent­schie­den­heit, im Zwei­fels­fall alles ein­zu­set­zen. Der­weil steht die schö­ne Hele­na für das Schick­sal, im Spiel der Mäch­te zum wil­len­lo­sen Opfer und zur schö­nen Beu­te gemacht zu wer­den, um als Trumpf, Tro­phäe, viel­leicht sogar im Tri­umph gewalt­sam genom­men zu wer­den. Es gibt eine Foto­gra­fie, die minu­ti­ös von Fried­rich Nietz­sche gegen den Ein­spruch der Betei­lig­ten arran­giert wor­den ist. – Lou Andre­as-Salo­mé hat Fried­rich Nietz­sche und Paul Rée vor ihren Kar­ren gespannt. So könn­te eine Inter­pre­ta­ti­on lau­ten, zumal die Begehr­te kurz zuvor die Hei­rats­an­trä­ge bei­der Män­ner abge­lehnt hat­te. – Es mag sein, dass Nietz­sche sich von die­ser ent­täu­schen­den Lie­be inspi­rie­ren ließ. Aber neben der bio­gra­phi­schen Inter­pre­ta­ti­on ist eine ande­re noch tief­grün­di­ger, es geht um das Motiv aller Moti­ve. Das berühm­te Foto spot­tet jeder land­läu­fi­gen Inter­pre­ta­ti­on des gemei­nen Spruchs: »Wenn Du zum Wei­be gehst, ver­giss die Peit­sche nicht«. Gera­de die­ser Satz hat Nietz­sche in Ver­ruf gebracht. Betrach­tet man aber das Foto genau­er, so zeigt sich, wer hier die Peit­sche führt: Es ist das Weib. 


Alle Bän­de der Rei­he Zeit­Gei­ster erschei­nen bei tre­di­ti­on – wer­den aber auch hier suk­zes­si­ve zum Down­load frei­ge­ge­ben. 

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Philosophischer Salon

Philosophischer Salon

Literaturhaus im Prinz-Max-Palais

SS 2019 | donnerstags | 18:00–20:00 Uhr

Was­si­ly Kan­din­sky: Thir­ty (1937). Musée natio­nal d’art moder­ne, Paris. — Quel­le: Public Domain via Wikimedia.

Kul­tur ist ein Mit­tel, nicht ein­fach nur ver­rückt zu wer­den, ange­sichts der über­for­dern­den Kom­ple­xi­tät einer Welt, der wir als Indi­vi­du­en und auch als Gat­tung ziem­lich gleich­gül­tig sind. Es gilt, dar­über hin­aus zu gehen und Ordnung zu schaf­fen, also Bedeu­tun­gen. Kul­tur bie­tet Ori­en­tie­rung und Schutz, sie gewährt Erwar­tungs­si­cher­heit, basa­le Gefüh­le und die Erfah­rung, getra­gen sein von wie­der erkenn­ba­ren Struk­tu­ren, die ver­läß­lich sind.

Wir sind immer auf der Suche nach Sinn, weil sich dar­an das eige­ne Ori­en­tie­rungs­ver­mö­gen selbst wie­der ori­en­tie­ren läßt. Daher ist Ori­en­tie­rungs­ori­en­tie­rung von so gro­ße Bedeu­tung, denn Sinn ver­schafft Sicher­heit im Gei­ste, und das in einer Welt, die über­mäch­tig und eigent­lich auch unbe­herrsch­bar erscheint. Aber die Welt läßt sich in Geschich­ten ver­stricken, so daß wir uns wie an einem Ari­ad­ne­fa­den im Laby­rinth einer immer unüber­sicht­li­cher wer­den­den Welt ori­en­tie­ren kön­nen, obwohl wir sie als gan­ze gar nicht überschauen.

Lite­ra­tur­haus | Prinz-Max-Palais | Karl­stra­ße 10 | Karlsruhe

Men­schen sind Ori­en­tie­rungs­wai­sen. Jedes Tier ist voll­kom­men inte­griert in den ange­stamm­ten Lebens­raum. — Man möch­te anneh­men, daß ›die‹ Natur mit dem Men­schen das Spiel eröff­net hat, wie es wohl sei, ein Wesen zu erschaf­fen, das sich selbst ori­en­tie­ren kann. Inzwi­schen ist die Welt fast voll­stän­dig umge­baut wor­den. Schon bald wer­den zwei Drit­tel der Welt­be­völ­ke­rung in Städ­ten leben.

Der Anspruch, sich in die­sen künst­li­chen Wel­ten zu ori­en­tie­ren, steigt stän­dig. Zur Ori­en­tie­rung braucht es inzwi­schen Ori­en­tie­rungs­ori­en­tie­rung. Dabei soll gera­de auch die Indi­vi­dua­li­tät zum Zuge kom­men. — Die Zei­ten sind vor­bei, in denen tra­di­tio­nel­le Rol­len muster­gül­tig gelebt wer­den muß­ten, vor allem Geschlech­ter­iden­ti­tä­ten, die kei­nen Aus­bruch, kei­ne Abwei­chung, kei­ne Spe­ren­zi­en dul­de­ten. Immer weni­ger ›Sinn‹ ist vor­ge­ge­ben, was eben bedeu­tet, sich selbst zu orientieren.

Seit alters her wer­den ein­schlä­gi­ge Ant­wor­ten auf letz­te Fra­gen immer wie­der neu von den Mythen gege­ben, die das Kunst­stück beherr­schen, Welt­ver­trau­en und Zuver­sicht zu schaf­fen. Wie das geschieht, das soll mit immer wie­der neu­en Ein­sich­ten im Phi­lo­so­phi­schen Salon zur Erfah­rung gebracht wer­den. — Men­schen sind kos­mi­sche Wai­sen, aus­ge­setzt in dem Bewußt­sein, sich selbst beden­ken zu müssen.

16. Mai 2019 | Prof. Dr. Hans-Peter Schütt | Karlsruhe

Amor und Psyche

13. Juni 2019 | Dr. Joa­chim Ham­mann | Frankfurt

Die Hel­den­rei­se

4. Juli 2019 | Prof. Dr. Die­ter Birn­ba­cher | Düsseldorf

Über Mora­li­sie­rung

18. Juli 2019 | Prof. Dr. Phil­ipp Hübl | Berlin

Der Unter­grund des Denkens

25. Juli 2019 | Prof. Dr. Jan Söff­ner | Friedrichshafen

Kör­per und Geist

Jeweils 18:00–20:00 Uhr im Prinz-Max-Palais.
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Philosophische Ambulanz

Philosophische Ambulanz

SS 2019 | freitags | 11:30–13:00 Uhr | Café NUN | Gottesauer Str. 35 | Karlsruhe

Beginn: 3. Mai 2019 | Ende: 26. Juli 2019

Fer­di­nand Bart: Der Zau­ber­lehr­ling, (1882). Zeich­nung aus dem Buch Goethe’s Wer­ke, 1882. — Quel­le: Public Domain via Wikimedia

Und sie lau­fen! Naß und nässer
Wird’s im Saal und auf den Stufen.
Welch ent­setz­li­ches Gewässer!
Herr und Mei­ster! hör mich rufen! —
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister,
Werd ich nun nicht los.
»In die Ecke,
Besen! Besen!
Seid’s gewe­sen.
Denn als Geister
Ruft euch nur, zu sei­nem Zwecke,
Erst her­vor der alte Meister.

(Goe­the: Der Zauberlehrling)

In der Phi­lo­so­phi­schen Ambu­lanz kommt die Phi­lo­so­phie wie­der zurück auf den Marktplatz, wo Sokra­tes sei­ne Dis­pu­te führ­te, immer auf der Suche nach einer Philosophie, die es bes­ser auf­neh­men kann mit der Wirk­lich­keit. In den Dia­lo­gen und Dis­kur­sen der Phi­lo­so­phi­schen Ambu­lanz soll es dar­um gehen, in gemein­sa­men Gedan­ken­gän­gen die bes­se­ren, höhe­ren und tie­fe­ren Ein­sich­ten zu gewinnen.

Ver­ste­hen ist Erfah­rungs­sa­che, Ver­stän­di­gung ist eine Fra­ge der Übung. Oft herr­schen aber fal­sche Vor­stel­lun­gen vor: Gemein­sa­mes Ver­ste­hen ent­steht im Dia­log und in Dis­kur­sen, bei denen es nicht vor­ran­gig um Meinungsäußerungen und Stel­lung­nah­men geht. Es kommt auch nicht dar­auf an, Recht zu behal­ten, sich zu behaup­ten oder etwa ver­meint­li­che ›Geg­ner‹ mund­tot zu machen. — Gewalt ent­steht, wo Wor­te ver­sa­gen, wenn nicht gesagt und ver­stan­den wer­den kann, was einem wirk­lich am Her­zen liegt. Es kommt viel mehr dar­auf an, im gemein­sa­men Ver­ste­hen wei­ter­zu­kom­men, so daß sich die Dis­kur­se anrei­chern und ihre Suk­zes­si­on, also einen Fort­schritt errei­chen. Daher ist es so wich­tig, gera­de im Kon­flikt aus einem Dis­sens her­aus wie

der zu neu­em Ein­ver­neh­men zu fin­den. Erst das macht uns zu mün­di­gen Zeit­ge­nos­sen, wenn wir auch über die eige­ne Stel­lung­nah­me noch frei ver­fü­gen kön­nen. — Zu Phi­lo­so­phie­ren bedeu­tet, Wider­sprü­che und Ambi­va­len­zen nicht schleu­nigst auf­zu­lö­sen, weil sie anstren­gend sind. Viel­mehr gilt es, das Den­ken selbst in der Schwe­be zu hal­ten. Der Weg ist das Ziel, gera­de auch beim Philosophieren.

Es gilt, nicht nur die übli­chen Stand­punk­te zu ver­tre­ten, son­dern neue und gänz­lich unbe­kann­te Per­spek­ti­ven zu erpro­ben. Daher ist der Posi­ti­ons­wech sel von so emi­nen­ter Bedeu­tung. Genau das ist ›Bil­dung‹, den Stand­ort der Betrach­tung wech­seln, um eine Stel­lung­nah­me ggf. auch aus einer belie­bi­gen ande­ren Per­spek­ti­ve vor­neh­men, kom­men­tie­ren und beur­tei­len zu können.

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Vorlesungen und Seminare